Übersetzer: neues Standbein

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Übersetzer: neues Standbein

Tipps für den Aufbau eines neuen oder zweiten Standbeins

Vor dem Hintergrund der teils schwierigen Marktlage und der Fortschritte der Künstlichen Intelligenz fragen mich Kolleginnen und Kollegen aus der translation industry immer öfter, was sie tun sollen.

Nun bin ich weder Prophet noch habe ich eine allwirkende, immerwährende krisensichere Universallösung im Ärmel. Das heißt … doch: Für uns Übersetzer* ist die (echte) tiefgehende Spezialisierung eine weitgehend krisensichere Lösung. Darüber habe ich schon oft geschrieben, beispielsweise hier und da. Auch über Beispiele für interessante und lukrative Fachgebiete habe ich auf Rüsterweg Artikel veröffentlicht, zum Beispiel Telematik oder Bionik. Dass Übersetzer ohne echte Spezialisierung (**) es in Zukunft immer schwerer haben werden, ausreichend hohe Umsätze zu generieren, ist für mich und in meinem Netzwerk unumstritten. Dennoch kann es nicht schaden, über ein zweites Standbein nachzudenken. Ich selbst fahre seit dem Beginn meiner selbstständigen Tätigkeit mehrgleisig.

Aber ich habe mir natürlich ein paar Gedanken gemacht, um Ihnen einige Tipps zu geben.

Zunächst sollten Sie eine Bestandsaufnahme machen:

  1. Wollen Sie Ihre bisherige berufliche Tätigkeit als selbstständiger Übersetzer* komplett aufgeben oder diese Tätigkeit lediglich mit einem zweiten Standbein ergänzen?
  2. Brainstorming: Was machen Sie gerne, was nicht?
  3. Wollen Sie in eine Festanstellung (evtl. in Teilzeit) gehen oder zu 100 % selbstständig bleiben?
  4. Wollen Sie Ihr neues bzw. zweites Standbein lieber zuhause oder an einem externen Ort umsetzen?
  5. Wollen / können Sie für das neue bzw. zweite Standbein finanzielle Mittel investieren?
  6. Arbeiten Sie gerne mit Menschen zusammen oder sind Sie eher Einzelgänger? Sind Sie kontaktfreudig oder eher verschlossen?
  7. Wie halten Sie es mit Akquise, beruflichen Telefonkontakten u. Ä.?
  8. Wie gut ist Ihr Netzwerk? Woraus besteht es (Fachbereiche, Diversität …)? Übrigens: Zu einem guten (beruflichen) Netzwerk zählen nicht nur Übersetzerkollegen.
  9. Wie umtriebig sind Sie? Wieviel Zeit und Engagement wollen Sie investieren?
  10. Wieviel Eigenverantwortung sind Sie bereit zu übernehmen?

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste

Möglicherweise haben Sie bereits Ihre Suchmaschine bemüht und jede Menge Antworten und Tipps bekommen. Doch Vorsicht! So einfach, wie es manchmal auf dem Bildschirm steht, ist es nicht. Da ist die Rede vom sog. passiven Einkommen, von Einkünften aus Affiliate-Programmen, als Influencer, durch Tantiemen aus der Veröffentlichung von E-Books, aus dem Verkauf selbst hergestellter Produkte oder Fotos usw. Haben Sie eine Vorstellung, wie lange es dauert, bis Sie substantielle und regelmäßige Einkünfte durch „Werbung auf dem eigenen Blog“ oder durch „Dropshipping“ erzielen? Das bringt Sie nicht weit und kann ich persönlich nicht als sinnvolle Lösung ansehen. Insbesondere von Angeboten, bei denen Sie erst einmal bei einem Unternehmen ordentlich in Vorkasse gehen müssen, halte ich nichts.

Ich werde Ihnen ganz sicher nicht sagen: Machen Sie dies oder jenes. Jeder muss für sich entscheiden, wozu er in der Lage und bereit ist.

Was ist in unterschiedlichen Konstellationen rein verwaltungstechnisch zu beachten?

Sie sind bereits als selbstständiger Übersetzer* tätig, jedoch im Rahmen der Kleinunternehmerregelung, und wollen Ihr Dienstleistungsangebot erweitern.

Für 2024 liegt die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer bei 22.000 EUR pro Jahr (bis 2020 betrug die Grenze 17.500 EUR). Haben Sie im Jahr 2023 nicht mehr als 22.000 EUR erwirtschaftet und werden Sie 2025 voraussichtlich nicht mehr als 50.000 EUR umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielen, so bleibt Ihnen die Kleinunternehmerregelung weiterhin erhalten. Sollten Sie jedoch nur eine der beiden Grenzen überschreiten, werden Sie für 2022 umsatzsteuerpflichtig. Dann müssen Sie auf Ihren Rechnungen die Umsatzsteuer ausweisen.

Sie sind bereits als selbstständiger Übersetzer (NICHT im Rahmen der Kleinunternehmerregelung) tätig und nehmen eine Teilzeitstelle im Angestelltenverhältnis an.

Hier sollten Sie beobachten, in welchem Ausmaß sich Ihr Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit verringert (da Sie ja nicht mehr so viel Zeit dafür haben) und evtl. diese selbstständige Tätigkeit als nebenberufliche Tätigkeit im Rahmen der Kleinunternehmerreglung anmelden. Je nach dem, wie viele Stunden Sie im Angestelltenverhältnis arbeiten, sind Sozialabgaben fällig (ab 20 Wochenstunden) und Sie sind dort auch automatisch krankenversichert (evtl. ermöglicht Ihnen das den (Wieder-)einstieg in die gesetzliche Krankenversicherung.

Sie sind als selbstständiger Übersetzer tätig und wollen zusätzlich Ihre selbst gefertigten Bastel-/Kunstobjekte oder Produkte aus Ihrer Küche vermarkten.

Wenn Sie Selbstgemachtes verkaufen wollen, müssen Sie ein Gewerbe anmelden – was Übersetzer nicht tun müssen, da sie den Freiberuflerstatus haben. Denn sobald Sie etwas anfertigen oder erwerben mit dem Ziel des (gewinnbringenden) Weiterverkaufs, handeln Sie gewerblich, ganz gleich, worum es sich handelt. Als Gewerbetreibender sind Sie gem. § 14 GewO verpflichtet, dies dem Gewerbeamt zu melden. Sind Sie als Hobby-Händler unterwegs und erzielen Sie nicht mehr als 22.000 Euro Umsatz im Jahr, dann greift wiederum die Kleinunternehmerregelung, die Sie von der Umsatzsteuer befreit.

Aber Vorsicht: Die 22.000 Euro Umsatz im Jahr gelten für alle Einkünfte, also auch für die aus der Übersetzertätigkeit. Falls Sie tatsächlich mehrere Gewerbebetriebe führen und / oder verschiedene selbstständige Tätigkeiten ausüben, dann werden sämtliche umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen aller Betriebe zusammengerechnet.

Außerdem darf nicht jedes selbstgemachte Produkt „einfach so“ verkauft werden. So unterliegen zum Beispiel Lebensmittel (Marmeladen, Hundekekse, vegane Brotaufstriche usw.) oder auch selbstgemachte Seifen bestimmten Anforderungen, die bei den jeweiligen Kontrollbehörden (Landratsamt, Veterinäramt, Gesundheitsamt sowie Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit usw.) zu erfragen und natürlich zu beachten sind.

Sie geben Ihre Tätigkeit als selbstständiger Übersetzer ganz auf und nehmen eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis an.

Freiberufler (z. B. Übersetzer) müssen die Betriebsaufgabe lediglich dem Finanzamt mitteilen. Falls Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als selbstständiger Übersetzer betriebsbezogene Versicherungen und Verträge geschlossen haben, sollten Sie diese zum nächstmöglichen Termin kündigen, um unnötige Ausgaben zu vermeiden.

Achtung: Mit Aufgabe der Selbstständigkeit erlischt nicht die Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen. Die Regelungen zu den Aufbewahrungsfristen finden sich im Handelsgesetzbuch, HGB § 257 Abs. 4, sowie in der Abgabenordnung § 147 und im Umsatzsteuergesetz § 14b.

Ab 20 Wochenstunden im Angestelltenverhältnis können Sie sich gesetzlich krankenversichern (sofern Sie nicht älter als 55 Jahre sind).

Dies sind die vier großen Konstellationen, die ich Ihnen aufzeigen wollte.

* Hinweis: Im Sinne einer besseren Lesbarkeit deckt in dieser Veröffentlichung das generische Maskulinum (z. B. der Übersetzer, Freiberufler, Unternehmer) sowohl die weibliche und männliche Form als auch das dritte Geschlecht ab. Dies ist in keinem Fall als Zeichen einer Diskriminierung zu werten.

** Warum betone ich immer „echte Spezialisierung“? Weil sich in den vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen immer wieder herauskristallisiert, dass eine falsche Vorstellung dessen, was „Spezialisierung“ ist, kursiert. Lesen Sie den Abschnitt „Wo fängt Spezialisierung an?“ in meinem Blogartikel Übersetzer: Spezialisierung – Rüsterweg (ruesterweg.de).