Zeit für eine Preiserhöhung?

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Zeit für eine Preiserhöhung?

Vieles ist teurer geworden. Und Übersetzungsleistungen?

Gastronomie und Hotellerie, Kraft- und Brennstoffe, Energie, Kleidung und Schuhe, Mieten … Es gibt kaum etwas, was in den letzten Jahren nicht teurer geworden ist. Besonders spürbar ist die Teuerung bei Lebensmitteln. Der Einkauf im Supermarkt, auf dem Wochenmarkt, beim Bäcker und Metzger zeigt es deutlich: Gegenüber Januar 2023 sind im Januar 2024 beispielsweise Bananen, Kartoffeln und Tomaten um ca. 15 %, Zitrusfrüchte um rd. 11 %, Brotwaren (beim „echten“ Bäcker) um durchschnittlich 38 %, Zwiebeln um knapp 60 % und Zucker um unfassbare 70 % im Preis gestiegen (Quelle: destatis).

Was ist mit Dienstleistungen?

Tourismus und Freizeit im weitesten Sinn (Beherbergung, Gastronomie, Verkehr, Museen, Konzerte, Kino usw.) verzeichnen einen Preisanstieg von durchschnittlich 8 % gegenüber Januar 2023, Leistungen im Bereich Gesundheit und Schönheit (Heilpraktikerbehandlungen, Physiotherapie, Podologie, Friseur, Kosmetik usw.) sind um rd. 6 %, Kfz-Mechanikerleistungen sogar um fast 20 % teurer geworden (Quelle: destatis).

Und Übersetzungsleistungen?

Branchenfremden sei vorab gesagt, dass die Preise für Übersetzungsleistungen ohnehin eine sehr breite Spanne aufweisen: von unterirdischen 3 ct. bis hin zu 40 oder mehr Cent je Wort. Das hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem:

 

  • Sprachkombination: Es gibt gängige Sprachkombis wie zum Beispiel EN<>DE, in denen der Anbietermarkt überlaufen ist (wobei das sicher nicht alles Profis sind), und seltene Sprachkombis wie zum Beispiel CS<>SV (Tschechisch<>Schwedisch).
  • Auftragserteilung an den selbstständigen Übersetzer* durch Direktkunden (höhere Preise) oder Agenturen
  • Spezialisierung, aka Fachgebiet: Je spezieller das Fachgebiet UND die tatsächliche Fachkompetenz des Übersetzers, desto höher der Preis.
  • Wo befindet sich der Anbieter? Übersetzer in Indien oder Rumänien beispielsweise können unter anderem angesichts der geringeren Lebenshaltungskosten viel niedrigere Preise anbieten als solche, die in Deutschland leben.
  • Qualität: Welche Qualität erwartet oder benötigt der Kunde?
  • Nutzung eines CAT-Tools durch den Übersetzer (Rabatte wegen Wortwiederholungen …)
  • Und nicht zuletzt der überaus wichtige Faktor: Wie verkauft sich der Übersetzer oder, besser gesagt, wie positioniert er sich am Markt. Daran hapert es bei selbstständigen Übersetzern nicht selten.

Eine breite Preisspanne gilt übrigens auch im Bereich Korrektorat, Lektorat und Texten sowie Dolmetschleistungen.

Wenn alles teurer wird, ist es dann nicht an der Zeit, dass auch Übersetzer ihre Preise erhöhen? Sind sie angesichts höherer Kosten, die sie zu stemmen haben, nicht (auch) gezwungen, ihre Preise anzuheben?

Antwort: im Prinzip ja. Aber wie geht das, ohne Kunden oder Aufträge zu verlieren und/oder Stammkunden zu verärgern?

Ganz einfach ist es nicht, aber es geht – so meine Erfahrung und die vieler Kolleginnen und Kollegen in meinem Netzwerk.

Marktpositionierung

Zunächst müssen Sie als Übersetzer klar definieren, wie Sie sich am Markt positionieren wollen – mit den Discountern, bei denen ein Brötchen 13 ct. kostet, oder mit dem „echten“ Bäcker, der für ein Brötchen 80 ct. verlangt? Mit dem „Kommen-Sie-doch-wann-Sie-wollen-Friseur“, der Ihnen einen 0815-Haarschnitt für 14 Euro verpasst, oder mit dem Friseur, der für einen ordentlichen Haarschnitt 40 oder 50 Euro verlangt? Sind Sie der Jugendherbergetyp, der im Urlaub im Mehrbettzimmer übernachtet, oder wollen Sie ein gepflegtes Hotel genießen?

Anders ausgedrückt: Sie entscheiden, ob Sie den bulk market bedienen wollen oder ob Sie einem Segment der translation industry zugehörig sein wollen, wo Ihnen mehr wirtschaftliche und persönliche Freiheit durch deutlich höhere Wortpreise ermöglicht wird. Alles hat seinen Preis. Das eine muss nicht schlechter sein als das andere, aber Ihre Marktpositionierung ist untrennbar mit Ihrer Preispositionierung verknüpft, und beides bedingt die Höhe Ihres Umsatzes.

Das Thema Markt-/Preispositionierung habe ich ausführlich in meinem Fachbuch „Das große 1×1 für selbstständige Übersetzer – Nachschlagewerk für die Praxis“, erschienen im BDÜ Fachverlag, ab Seite 196 behandelt. Begleitend empfehle ich den Beitrag „Wurzelbehandlung“ auf Rüsterweg.

Wer heute Aufträge für 8 ct. oder weniger je Wort annimmt, wird sehr wahrscheinlich auch in Zukunft keine Anstrengungen anstellen, seine Preise anzuheben. Und die „Ich-mag-nicht-telefonieren-Typen“ haben es ohnehin auf dem Markt der selbstständigen Übersetzer schwer und werden im Zeitalter von KI & Co., das verstärkt Akquisearbeit erfordert, bald abgehängt werden (dem kann man aber entgegentreten, wenn man will). Das Leben in der translation industry ist nun einmal kein Ponyhof.

Für alle anderen hier ein paar Tipps für die Durchsetzung einer Preiserhöhung

  • Eine nicht unwichtige günstige Bedingung ist eine gute, verbindliche Beziehung zu Ihrem Kunden.
  • Kündigen Sie Ihre Preiserhöhung an und erklären Sie Ihre Gründe: Wie Ihr Kunde sind auch Sie mit höheren Kosten konfrontiert (Energie, Lebensmittel usw.). Der Kunde muss das Gefühl bekommen, dass die Preiserhöhung gerechtfertigt ist und er mit Ihnen in einem Boot sitzt.
  • Sinnvoll ist ein klar definierter Termin, idealerweise zum Beginn des Jahres oder auch eines Quartals.
  • Mehr Transparenz: Sie erhöhen Ihre Preise, stellen jedoch von einem Zeilenpreis auf einen Wortpreis um. Beispiel: Sie übersetzen in der Sprachkombi EN > DE und haben bisher 1,40 € je Normzeile Ausgangstext (55 A inkl. LZ) berechnet. Bei einer durchschnittlichen Wortzahl in englischsprachigen Texten von 7,5 bis 8 ist ein Wortpreis von 0,23 € für Sie vorteilhafter. Für den Kunden ist die Berechnung pro Wort nachvollziehbarer und transparenter.
  • Projektpreise: Statt Zeilen- oder Wortpreise zu berechnen, ist ein Projektpreis, also ein Gesamtbetrag für ein Projekt die einfachste Lösung. Damit können Sie Ihre eigene Kalkulation immer wieder anpassen.
  • Mehr fürs Geld anbieten: Sie bieten beispielsweise das nachträgliche Korrekturlesen von gesetzten Texten gleich mit an.

Denken Sie NICHT in folgenden Dimensionen (Formulierungen):

Wie viel (mehr) darf ich für meine Übersetzungsleistungen verlangen?

Sie sind doch kein Bittsteller! Fragen sich andere Dienstleister, ob sie diesen oder jenen Betrag verlangen „dürfen“? Fragt Sie Ihre Kfz-Werkstatt, ob sie Ihnen für die Wartung Ihres Autos 50 Euro pro Stunde berechnen darf?!

Ein Preis entsteht durch Angebot, Nachfrage und Markt. Auf den einzelnen Dienstleister heruntergebrochen, heißt das: Kosten, strategische Positionierung und Wettbewerb sind wichtige Einflussfaktoren für die Preisbildung und bedingen Ihren Preis. Somit sind wir wieder bei der oben genannten Marktpositionierung. Was den Wettbewerb angeht: Ein Faktor, der den Wettbewerb auf Ihrem Markt beeinflusst, ist Ihre Spezialisierung.

Mit hohen / höheren Preisen halte ich mir schwierige Kunden vom Hals.

Wenn Sie das Gefühl haben, an einen „schwierigen Kunden“ zu geraten, dann fragen Sie sich erst einmal, was Sie im Vorfeld falsch bzw. nicht gemacht haben. Lesen Sie hierzu meinen Blogbeitrag Schwierige Kunden? Das liegt an Ihnen!.

Ich habe mehr Aufträge, als ich bearbeiten kann, deshalb lasse ich meine Preise, wie sie sind.

Dass Sie so viele Aufträge haben, ist ganz hervorragend, aber es steht Ihnen frei, Anfragen abzulehnen. Stellen Sie sich vor, ein und derselbe Kunde hat eine Million Wörter zu übersetzen und möchte die Übersetzung innerhalb von zwei Wochen. Hilft Ihnen und ihm dabei Ihre Preiserhöhung? Wohl kaum! Letzten Endes müssen SIE mit Ihrem Preis und Ihrem Ein-/Auskommen zufrieden sein.

Angesichts der Entwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) kann ich meine Preise nicht erhöhen. Im Gegenteil: Ich muss meine Preise senken.

Ja, die KI hat insgesamt eine rasante immer noch anhaltende Entwicklung erfahren, und im Bereich Übersetzung ist die Anwendung von KI längst Realität. Allerdings nur in kleinem Rahmen, denn die Technologie ist weit davon entfernt, menschliche hochspezialisierte Fachübersetzer zu ersetzen. Wie ich oben schon schrieb: Je spezialisierter, je fachkompetenter Sie sind, desto weniger haben Sie von KI zu befürchten.

Ja, wenn Sie ein „Kraut-und-Rüben-Angebot“ haben, wird es zunehmend schwierig. Allrounder, die im Bereich Allgemeinsprache, Tourismus, Websites usw. ihre Übersetzungsdienste anbieten, werden nach und nach das Nachsehen haben und allenfalls mit der Überprüfung der durch KI übersetzten Texte beauftragt werden – die Honorare dafür dürften nicht hoch sein.

Nein, „KI im Bereich der Übersetzung wird den menschlichen Fachübersetzer nicht ersetzen. Vielmehr wird sie als unterstützende Technologie Einzug halten, die Fachübersetzern ihre Arbeit erleichtert und zu einem produktiveren Arbeiten führt“, erklärt Gründer und Geschäftsführer des KI-Unternehmens lengoo Christopher Kränzler.

Es gäbe noch viel zum Thema Preiserhöhung bei Übersetzungsleistungen zu sagen. Unterm Strich liegt es an Ihnen zu entscheiden, was Sie wollen. Ich kann Sie (leider) nur mit eigenen Erfahrungen, Tipps und schließlich Fakten, die Sie mit etwas Rechercheaufwand selbst ermitteln könnten, unterstützen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie die für Sie richtige Entscheidung treffen.

Machen Sie sich auf den für Sie richtigen Weg. Alles Gute!

 

 

(*) Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wird in meinen Artikeln auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen und Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

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