Der Fachbegriff: schwarzstartfähig

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Der Fachbegriff: schwarzstartfähig

Ausführliches zu diesem Begriff aus der Energietechnik

(Kleines Glossar DE>FR am Ende als Download)

In der recht spannenden TV-Serie „Blackout“ nach dem gleichnamigen und noch spannenderen Roman von Marc Elsberg findet der Held am Ende des Rätsels Lösung, jemand drückt auf einen Knopf, und in der nächsten Sekunde läuft alles wieder wie geschmiert. Ganz so einfach ist es jedoch nicht.

Die Schwarzstartfähigkeit

Bei sog. kleineren Stromausfällen, die sich über ein paar Häuser, eine oder mehrere Straßen, also ein Wohnviertel zum Beispiel erstrecken, kann in der Regel die Stromversorgung „problemlos“ wiederhergestellt werden.

Das ist bei einem sog. Blackout, einem Stromausfall, der beispielsweise eine ganze Stadt oder eine ganze Region, ein ganzes Land betrifft, nicht möglich. Ein solcher Netzausfall würde uns alle betreffen: Telefone, Handys und Computer würden nicht mehr funktionieren, Aufzüge stecken bleiben, Ampeln nicht mehr leuchten, die Straßenbeleuchtung bliebe dunkel, im Straßenverkehr würde Chaos entstehen, Züge würden nicht mehr fahren, sämtliche Hausgeräte einschließlich Heizung und Klimatisierung könnten nicht mehr betrieben werden, Bankomaten und Tanksäulen wären nicht mehr funktionstüchtig, Melkanlagen in landwirtschaftlichen Großbetrieben würden streiken … eine dramatische Lage.

Das kommt nie vor, meinen Sie? Zum Glück nicht oft, aber wenn, dann ist die Situation tatsächlich dramatisch. Beispiele für die größten Blackouts der letzten zwanzig Jahre:

>> Indien im Juli 2012. Betroffen waren 620 Millionen Menschen. Dauer: 15 Stunden. Ursache: Netzproblem

>> USA im Oktober 2012. Betroffen waren 8 Millionen Menschen. Dauer: 7 Tage! Ursache: Hurrikan „Sandy“.

>> Italien im September 2003. Betroffen waren 57 Millionen Menschen. Dauer: 18 Stunden. Ursache: Netzproblem

In einem solchen Fall können nur bestimmte Kraftwerke bzw. Kraftwerkblöcke dafür sorgen, dass die Stromversorgung vollständig autonom wiederhergestellt wird. Denn nur sie können Strom erzeugen, den andere versorgungsrelevante Kraftwerke zum Wiederanfahren benötigen – sie funktionieren gewissermaßen wie eine Starterbatterie im Auto. Man nennt dieses Phänomen einen Schwarzstart („black start“); die entsprechenden Anlagen sind schwarzstartfähig.

Ins Detail

Thermische Kraftwerke, wie etwa Atom-, Braunkohle- oder Blockheizkraftwerke, sind ohne eine externe Stromquelle nicht startbar: Die zahlreichen Pumpen, Turbinen und Brennstoffförderanlagen müssen extern mit Strom versorgt werden, bevor die eigentliche Stromerzeugung des Kraftwerks starten kann. Im Falle eines Stromausfalls ist dies ein Problem: Da kein Strom im Netz ist, kann die thermische Anlage ohne „Überbrückung“ mit Startstrom nicht anfahren. Diesen Strom liefern schwarzstartfähige Stromerzeuger oder Stromspeicher: Mithilfe dieser sog. Impulsproduktion fahren die thermischen Kraftwerke hoch und nehmen ihre reguläre Stromproduktion wieder auf.

Bei unvorhergesehenen Schwankungen setzen die Betreiber in den Netzleitstellen Regelenergie ein. Diese stellt eine Reserve dar, die die Kraftwerke vorhalten und die bei Bedarf abgerufen werden kann. Die Kraftwerke erhöhen oder senken kurzfristig ihre Leistung und kompensieren damit die fehlende oder die überschüssige elektrische Energie.

Foto: Talpa auf Pixabay

Der Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch wird im europäischen Verbundnetz durch einen dreistufigen Prozess erreicht: In einem ersten Schritt wird Primärregelenergie aktiviert. Die Turbinen der Kraftwerke in ganz Europa reagieren bei Frequenzschwankungen und erhöhen oder reduzieren ihre Leistung. Nach einigen Minuten löst die Sekundärregelung die Primärregelung ab, und nach einer Viertelstunde setzen die Betreiber manuell Tertiärregelenergie ein. Sie weisen einzelne Kraftwerke im In- oder Ausland an, mehr oder weniger Energie ins Netz einzuspeisen.

Situation in Deutschland

2020 gab es eine sog. Kleine Anfrage einiger FDP-Abgeordneter an die Bundesregierung, in der es um das Thema Schwarzstartfähigkeit ging. Daraus geht hervor, dass „es in Deutschland 174 schwarzstartfähige Anlagen (Kraftwerksblöcke bzw. Turbinen) [gibt], die über eine Netto-Nennleistung von mindestens 10 MW verfügen“. Nördlich der Mainlinie gebe es 101 und südlich der Mainlinie 73 schwarzstartfähige Anlagen (Kraftwerksblöcke bzw. Turbinen). Ob das ausreicht, ist aus der Unterlage nicht ersichtlich. Aber wir wollen es hoffen.

>> Ende November 2005 gab es im Münsterland aufgrund massiver Schneefälle und dadurch umgeknickter Oberleitungen einen größeren Stromausfall. Einige Ortschaften hatten  über vier Tage keinen Strom.

>> Am 4. November 2006 gab es in mehreren Ländern Mitteleuropas einen breitflächigen Stromausfall, der durch einen Planungsfehler bei der vorübergehenden Abschaltung von Hochspannungsleitungen im Kreis Leer verursacht wurde. 10 Millionen Haushalte in Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich und Spanien blieben etwa 2 Stunden ohne Elektrizität.

Mit PV immer autark?

Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach ist eine gute Sache. Klug sind jene, die damit auch Stromspeicher mit einer Notstromfunktion haben einrichten lassen. Doch für eine Notstromversorgung sind die meisten Photovoltaikanlagen gar nicht ausgelegt. Sie sind in der Regel an ein funktionierendes Stromnetz gekoppelt. Fällt dieses aus, wird die heimische PV-Anlage automatisch vom Netz getrennt, und die Umwandlung von Sonnenenergie in Strom wird dadurch gestoppt. Das passiert aus Sicherheitsgründen zum Schutz aller, die versuchen, die Stromversorgung im öffentlichen Netz wiederherzustellen.

Damit eine PV-Anlage die heimischen Verbraucher bei einem Stromausfall mit Strom versorgen kann, müssen geeignete Wechselrichter in Kombination mit einem Stromspeicher und einer Notstromfunktion verwendet werden. Dabei handelt es sich um eine bei Stromausfall versorgte Steckdose, die einphasige Verbraucher bis zu 3 kW versorgt. Damit lassen sich jedoch nur einzelne Geräte mit Strom versorgen. In Kombination mit einem kompatiblen Stromspeicher können bestimmte Wechselrichter diesen sogar weiter mit Strom von der Photovoltaikanlage aufladen. Ohne gleichzeitiges Laden des Stromspeichers endet die Versorgung mit Notstrom allerdings, wenn die Kapazität der Batterie erschöpft ist.

Wer bei einem Stromausfall sämtliche elektrische Geräte im Haus mit Strom versorgen möchte, muss neben Wechselrichter und Stromspeicher auch Schaltkreise implementieren, die bei einem Stromausfall das komplette Hausnetz vom öffentlichen Stromnetz trennen. Sollen auch dreiphasige Verbraucher versorgt werden, sind entsprechende Wechselrichter erforderlich. Außerdem müssen die Komponenten „schwarzstartfähig“ sein.

In der Regel ist jedoch kein Dauerbetrieb des sog. Inselbetriebs empfehlenswert, da die zum Einsatz kommenden Wechselrichter oft nicht dauerhaft für diese Betriebsart ausgelegt sind. Viele Wechselrichterhersteller limitieren den Inselbetrieb auf 15 Prozent der Nutzungszeit. Pro Jahr wären das immerhin fast 55 Tage. Da eine Versorgungsunterbrechung mit Strom in Deutschland im Jahresdurchschnitt nur 10 Minuten beträgt, kann man hierzulande mit diesem Limit gut leben.

Obendrein kann die Umstellung auf Inselbetrieb einige Zeit in Anspruch nehmen. Mit einem Marken-Wechselrichter dauert es in der Regel nicht länger als 90 Sekunden, bis die Anlage bei einem Stromausfall vom Netz getrennt und auf Eigenversorgung umgeschaltet hat.

Kleines Energietechnik – Einfuehrung DE-FR hier zum Download

Headerfoto: Alexandra_Koch auf Pixabay

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