Weiterverarbeitung und Eigenschaften von Naturkautschuk
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Nachdem der Latex auf den Hevea-Feldern gezapft wurde, kommt er zu Sammelstationen, wo je nach Bedarf noch Konservierungsmittel zugegeben werden. Danach kommt er in große Sammeltanks, in denen er durch Zugabe von Essig- oder Ameisensäure koaguliert. Mittels Trennscheiben wird der Latex anschließend zu dicken Scheiben gepresst, die mithilfe einer Riffelwalze auf gleiche Dicke gewalzt werden. Diese Stücke werden Felle genannt.
Bei der Crêpe-Herstellung – das sind Felle mit rauer Oberfläche – werden die Walzwerke Crêpe-Friktion-Walzwerke genannt. Friktion bedeutet dabei, dass die Walzwerke mit unterschiedlicher Drehzahl laufen. Bei diesen Walzwerken werden die Felle mit Wasser gewaschen, deshalb ist eine zusätzliche Konservierung nicht notwendig. Die dabei entstehenden Felle werden in Trockenkammern 4 bis 24 Stunden lang getrocknet. Danach werden sie verpackt.
Bei der RSS-Herstellung (Ribbed Smoked Sheets = gerippte, geräucherte Felle) laufen die Kautschukscheiben durch glatte Gleichlaufwalzen und am Ende durch eine Prägewalze, die das Fell mit einem Waffelmuster versieht. Nachdem die Felle abgetropft sind, werden sie in einem Räucherhaus bei 40 bis 60°C in Holzrauch gehängt. Das Räuchern dient vorbeugend dazu, den Kautschuk gegen Oxidation und Schimmelbildung zu schützen. Danach kommen die Felle noch einmal in eine belüftete Trockenkammer, anschließend werden sie kontrolliert, sortiert und zu 110 bis 120 kg schweren Ballen verpresst, die dann versandfertig sind.
Kautschukarten
Chemisch gesehen gibt es nur eine Art Naturkautschuk. Die unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften, die man bei verschiedenen Naturkautschuken findet, ist ausschließlich durch die verschiedenen Anpflanzungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsverfahren bedingt. Das zugrunde liegende Polymer ist das gleiche, gleichgültig, ob es von dem „hevea brasiliensis“ oder von einem der anderen zahlreichen Kautschukbaumarten stammt. Im Gegensatz dazu unterscheiden sich die synthetischen Kautschukarten in chemischer Hinsicht erheblich voneinander – hierzu in einem separaten Beitrag mehr.
Bei den vielen unterschiedlichen Kautschukarten erhebt sich nicht die Grundsatzfrage, ob eine besser als die andere ist – und dies gilt auch für die Unterscheidung zwischen Natur- und Synthesekautschuk. Sie haben vielmehr alle eine eigenständige technologische „Daseinsberechtigung“ im Hinblick auf ihre Verarbeitung zum Endprodukt. Naturkautschuk bietet eine bemerkenswert ausgeglichene Palette physikalischer Eigenschaften, sodass dieser auf dem Markt auch heute noch zu den Produkten zählt, die am vielseitigsten angewendet werden können. Es gibt jedoch keine einzige Eigenschaft des Naturkautschuks, die nicht durch ein synthetisches Produkt nachgeahmt, also nachgebildet werden könnte.
Alle Naturkautschuktypen zeigen durch unterschiedliche Anbaugebiete, Gerinnungsgrad des geernteten Latex und Aufbereitung mehr oder minder starke Unterschiede, die sich in der Verarbeitbarkeit und der Vulkanisationsgeschwindigkeit niederschlagen. Aus diesem Grund ist eine Einteilung der Naturkautschuktypen wichtig. Mit der Klassifizierung durch Malaysia, dem sogenannten SMR (Standard Malaysian Rubber) wurde ein System entwickelt, dem sich nach und nach alle kautschukherstellenden Länder angeschlossen haben. Qualitätsmerkmale sind Schmutzgehalt, Gehalt an flüchtigen Bestandteilen, eine Vergleichszahl für das Rückstellvermögen (*) und das Vulkanisationsverhalten. Das Rückstellvermögen (auch Rückfederungsverhalten) bezeichnet die Fähigkeit, nach der Dehnung wieder in die ursprüngliche Form zurückzustreben („Memory-Effekt“).
Eigenschaften
Die besonders hervorstechende Eigenschaft des Kautschuks ist in der Tat sein spezifisches Rückfederungsverhalten, im allgemeinen Sprachgebrauch als Elastizität bezeichnet. Außerdem haben Kautschukerzeugnisse weitere Eigenschaften von Bedeutung: Sie sind flexibel, wasserdicht und – je nach Art und Zusammensetzung – mehr oder weniger luftundurchlässig – eine Kombination von Eigenschaften, die ansonsten nur bei Kunststoffen gegeben ist. Sie weisen dazu eine erstaunlich hohe Abriebfestigkeit auf. Sie werden von den meisten korrosiv wirkenden Chemikalien nicht angegriffen und sind in der Lage, sowohl Textilien als auch Stahl miteinander zu verbinden (Stichwort Verbundwerkstoffe).
In vielen der modernen Anwendungen wird Kautschuk nicht alleine, sondern mit Reyon, Nylon, Polyester, Glasfasern oder Stahlcord verstärkt eingesetzt. Diese Verstärkung dient dazu, die Zugfestigkeit zu erhöhen und gleichzeitig die Dehnbarkeit zu begrenzen. Das Ergebnis ist ein Material, das zwar nicht mehr sehr dehnbar ist, aber eine Kombination von Zugfestigkeit, Zähigkeit und Flexibilität aufweist, wie man sie auf keine andere Weise erhalten kann.
Kautschuk – ein unentbehrlicher Werkstoff
Kautschuk – gleichermaßen wie Metalle, Textilfasern, Beton, Holz, Kunststoff und Glas – gehört zu den Werkstoffen, ohne die eine moderne Technologie undenkbar wäre. Allein die westliche Welt benötigt jährlich mehr als 25 Millionen Tonnen Kautschuk, und der Verbrauch steigt jährlich um aktuell etwas mehr als 6 %.
Etwa 25 % des weltweit verarbeiteten Kautschuks ist noch Naturkautschuk, der von Plantagen in Malaysia, Indonesien oder anderen Ländern in Südostasien sowie aus Westafrika und Mittel- und Südamerika stammt. Die restlichen 75 % des Kautschukbedarfs werden in einer Vielzahl von Industrieländern hergestellt. Ausgangsrohstoff hierfür ist das Erdöl. Das Ergebnis heißt: Synthesekautschuk. Hierzu in einem anderen Beitrag mehr.
Mehr als die Hälfte des weltweit erzeugten Natur- und Synthesekautschuks wird für die Herstellung von Fahrzeugreifen verwendet: Reifen für Pkw und Nutzfahrzeuge, für Zweiräder (Fahrräder, Motorroller, Motorräder), Erdbewegungsmaschinen, Gabelstapler, Ackerschlepper, Metro usw., aber auch für Flugzeuge. Der Rest der Weltkautschukerzeugung wird zur Herstellung einer außerordentlichen Vielfalt von Industrieprodukten und Gebrauchsgütern verwendet: Gummiteile, die von Hochdruckdichtungen bis zum Stopfen für Medikamentenröhrchen und von Wasserhahndichtringen bis zu Membranen für künstliche Nieren reichen.
(Beitragsfoto oben: Bild von Tina Kersting, Pixabay)