Naturkautschuk (Teil 1)

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Naturkautschuk (Teil 1)

Ursprung und Geschichte des Naturkautschuks

Die ersten nachweislichen Entdeckungen von Kautschuk in Brasilien gehen in das 11. Jahrhundert zurück. Bei Ausgrabungen zur Erforschung der Maja-Kultur wurden Kautschukbälle als Opfergaben gefunden. Erste Schriften über einen Baum, der eine „eigenartige weiße Milch“ absondert, rei­chen in das 15. Jahrhundert zurück. Die Maja-Indianer verwendeten diesen Milchsaft, Latex genannt, zur Herstellung von elastischen Bällen und tränkten ihre Kleidungsstücke damit, um sie wasserdicht zu machen. Sie verwendeten die Wörter „caa“ für Holz/Baum und „o-chu“ für fließen/weinen. Übersetzt heißt es etwa „tränendes Holz“ oder „weinender Baum“, was darauf zurückzuführen ist, dass Pflanzen, die Latex enthalten, durch Einschnitte in der Rinde den Latexsaft abgeben. Aus diesen Wörtern ”caa o-chu” entwickelte sich im Französischen das Wort „caoutchouc“.
Latex ließ sich allerdings nicht über längere Zeit aufbewahren, denn er gerann wie Milch und ließ sich schlecht weiterverarbeiten.

Charles Marie de La Condamine berichtete nach einem längeren Forschungsaufenthalt von 1735 bis 1745 im Amazonasgebiet über die Verwendung des flüssigen Kautschuks. Zahlreiche Wissenschaftler arbeiteten am Thema, um den Stoff, der durchaus als wertvoll erkannt worden war, sinnvoll zu nutzen. 1824 wurde beispielsweise der erste wasserabweisende Regenmantel, der berühmte „McIntosh“, erfunden, kurz darauf die „Wellington boots“, die Gummistiefel, die durch Arthur Wellesley, den Ersten Herzog von Wellington im England des frühen 19. Jahrhunderts, bekannt wurden. Allerdings blieb Naturkautschuk trotz dieser Erfolge schwer einzusetzen, da es bei Hitze zu kleben begann und bei Kälte spröde wurde. Einen Fortschritt erreichten 1761 zwei französische Chemiker, die Kautschuk in Terpentinöl auflösten. Kurze Zeit darauf entdeckte man, dass sich Kautschuk als Radiergummi verwenden ließ; vorher wurden Brotkrumen hierfür eingesetzt.

Foto: Wallstrand (pixabay)

Bald darauf wurden die ersten kautschukverarbeitenden Firmen gegründet: 1803 in Frank­reich, 1823 in England und 1829 in Deutschland. Die ersten Produkte waren was­serdichte Gewebe, die durch Auftragen von Kautschuk-Benzollösung hergestellt wurden.
Der entscheidende Schritt für den großtechnischen Einsatz wurde durch eine Entdeckung, die Charles Goodyear machte, getan. Um die Klebrigkeit des Kautschuks herabzusetzen, mischte Goodyear 1831 verschiedene chemische Stoffe ein. Er beobachtete, dass schwefelhaltige Kautschukmischungen, oberhalb der Schmelztemperatur von Schwefel erhitzt, ein Produkt lieferten, das an Temperaturbeständigkeit und mechanischen Eigenschaften das Rohma­terial bei Weitem übertraf. Charles Goodyear erkannte jedoch die Tragweite seiner Erfindung nicht. Erst als Thomas Hancock, dem solch ein Vulkanisat in die Hände fiel, noch weitere Versuche machte und das Ergebnis schließ­lich patentieren ließ, verstand Goodyear, dass er einen Fehler gemacht hatte. 1844 ließ er dann seine Versuche patentieren. Inzwischen hatte Faraday 1826 gezeigt, dass Naturkautschuk ein Kohlenwasserstoff ist, bei dem auf 5 Kohlenstoffatome je 8 Wasserstoffatome kommen. 1860 erhielt Williams einen Stoff mit der „richtigen“ chemischen Formel aus der trockenen Destillation von Kautschuk und nannte ihn „Isopren“.

Aufbau von Plantagen

Durch die Entdeckungen von Goodyear, Hancock, Faraday und Williams stieg der Kautschukverbrauch in den Folgejahren sehr stark an, wodurch ein Kautschukman­gel drohte. Bis Ende des 19. Jahrhunderts kam praktisch die gesamte Kautschukproduktion von wildwachsenden Kautschukbäumen im Amazonasgebiet. Um diesem drohenden Mangel entgegenzuwirken, hatte die britische Regierung den Einfall, in Indien auch den „hevea brasiliensis“, den Kautschukbaum, anzubauen. 1876 gelang es einem Engländer, Henry Wickham, ca. 70.000 Samen aus Brasilien herauszuschmuggeln. Diese wurden in England sofort in die Erde eingebracht, es keimten jedoch nur 2.600 auf. Die Keimlinge wurden in das damalige Ceylon, heute Sri Lanka, ge­schickt. Von dort aus wurden Plantagen in Malaysia und Indochina angelegt. Aber erst 1900 konnten größere Mengen in Plantagen produziert werden. 1924 erwarb der französische Reifenhersteller Michelin eine 15.000 große Heveaplantage, die sie bis 1975 bewirtschaftete und heute dem vietnamesischen Staat gehört.

Latexgewinnung

Latexhaltige Pflanzen wachsen ausschließlich in den Tropen und gedeihen in einem be­stimmten Bereich nördlich und südlich des Äquators. Eine Ausnahme bildet der in Russland gezogene Kautschukbaum, der auch in kälteren Gegenden angebaut werden kann. Natur­kautschuk lässt sich aus etwa 200 verschiedenen Latexpflanzen gewinnen, die mehr oder weniger ertragreich sind.
Die bedeutendste latexspendende Pflanze ist bis heute der „hevea brasiliensis“, ein Kautschukbaum mit einem Stammumfang von 2,5 bis 4,8 Metern und einer Höhe von 30 bis 45 Metern. Die größte Bedeutung bei der Gewinnung von Naturkautschuk hat heute der Plantagenkautschuk.

Für die Anpflanzung werden die etwa 6 Monate alten Stecklinge in Abständen von etwa 7 bis 10 m eingepflanzt, sodass auf einen Hektar etwa 220 bis 260 Bäume entfallen. Zapfreif sind die Bäume zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr. Dann wird am Baum mit einem Zapfmes­ser ein schmaler Streifen Rinde abgelöst. Die Länge des Einschnitts beträgt etwa ein Vier­tel des Baumumfangs. Der Latex fließt dann entlang des Schnitts in einen Aluminiumbe­cher.

Größere Plantagen sind heute entweder unter staatlicher Führung des jeweiligen Landes oder gehören großen kautschukverarbeitenden Unternehmen. Dennoch kommen zwei Drittel der Weltproduktion von Naturkautschuk von Kleinpflanzern, den sogenannten Smallholders. Eine Ausnahme bildet der französische Reifenhersteller Michelin, der seit über einhundert Jahren Kautschukplantagen unterhält. Damit kann er zwar nur einen Bruchteil seines Naturkautschukbedarfs decken, aber dafür sorgen, dass die Smallholders gesicherte Einkommensquellen haben. Der Reifenhersteller stellt ihnen Wohnungen für ihre Familien zur Verfügung. Die Michelin-Plantagen verfügen über soziale Einrichtungen wie Schulen für die Kinder, Freizeiteinrichtungen sowie bedarfsgerechte Transportmittel. Über die arbeitsmedizinischen Vorschriften hinaus versorgen die Sanitätsstationen des Unternehmens auch die Familien.

Foto: Abhilash Jacob (pixabay)

Darüber hinaus will Michelin mit seinen Kautschukplantagen die Qualität des gewonnenen Naturkautschuks, die Widerstandsfähigkeit der Kautschukbäume gegenüber Krankheiten und den Ertrag verbessern. In Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Organisationen und Instituten beteiligt sich Michelin an Untersuchungen zu vielfältigen Themenbereichen: In-Vitro-Vermehrung des Kautschukbaums, Bekämpfung von Krankheiten, die den Hevea bedrohen, genetische Optimierung der Gattung (hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten, die vor allem Bäume in Südamerika befallen, wie beispielsweise durch den Pilz Microcyclus Ulei) und Erarbeitung von Maßnahmen zum Schutz der anderen Kontinente vor diesen bedrohlichen Baumkrankheiten.

Exkurs: Mit der 1984 erworbenen Plantage in Bahia (Brasilien) hat Michelin nicht nur die Heveazucht weiter ausgebaut und gefördert, sondern auch damit begonnen, gezielte Maßnahmen zum Schutz der Flora und Fauna in dieser Region umzusetzen. So wurde damals beschlossen, eine bestimmte Fläche ungenutzt zu lassen: Sie macht etwa 15 % der 7.000 Hektar Primärwald aus, die noch im brasilianischen Bundesstaat Bahia verbleiben. Dieses Reservat ist ungeheuer reich an bedrohten Spezies und wird mit großer Aufmerksamkeit von Naturwissenschaftlern beobachtet. Eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Tier- und Pflanzengattungen, die Einrichtung von sogenannten „ökologischen Korridoren“ und die Einführung von Anleitungen zum Umweltschutz tragen dazu bei, dieses natürlich erhaltene Gebiet besser zu schützen und bekannt zu machen. (Quelle: PRM-Bericht 2002)

Die Kautschukgewinnungsmethoden kann man in drei Arten einteilen:

  • Bei der ersten Methode werden Pflanzenteile eingesammelt und ihnen der Latex me­chanisch herausgepresst.
  • Die zweite Methode greift auf das Abschlagen der Bäume zurück: Hier wird ebenfalls der Latex mechanisch herausgepresst.
  • Die dritte Methode beruht zwar ebenfalls auf Verwundungen des Baumes, jedoch ohne dessen Lebensfähigkeit zu beeinträchtigen. Da der Naturkautschuk heute fast ausschließlich von Plantagen kommt, ist die Verwundung des Baumes durch Anzapfen ohne große Beschädigung der Pflanze die Methode, die am meisten verbreitet ist.

Für die Zapfung gibt es verschiedene Schnittmethoden, wie Spiralschnitt, Schabschnitt, Grätenschnitt, V-Schnitt um den ganzen Stamm und eine Zapfrinne um die Hälfte des Stammes, wobei die Spiralmethode die auf Hevea-Plantagen bedeutendste Zapfmethode ist. Von morgens 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr wird gezapft und danach mit dem Einsammeln des Latexsafts begonnen. Um ein Gerinnen der Latexmilch zu verhindern, werden in die Auf­fangbecher gerinnungshemmende Mittel gegeben. Der so erhaltene Latex hat folgende Bestandteile: 60 % Wasser, 35 % Kautschuk, 2,5 % Eiweiß, 1,5 % Harze und 1 % Mineralstoffe.

Im nächsten Beitrag werde ich die Weiterverarbeitung von Latex erklären.

(Großes Beitragsbild oben von Peggy und Marco Lachmann-Anke, pixabay)

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