Aufgelesen und aufgeschnappt – heute: der Faulenzer
Bekanntes Wort mit zwei interessanten kaum bekannten und ganz unterschiedlichen Bedeutungen
Das Wort „Faulenzer“ ist zunächst ein Fachbegriff aus der Goldschmiedekunst. Als Faulenzer wird eine kleine Biegevorrichtung aus Aluminium-Druckguss mit verschiedenen Aussparungen und vier steckbaren Zylinderstiften bezeichnet. Der heutige Faulenzer sieht nachvollziehbarerweise ganz anders aus als in früheren Zeiten, als sogenannte Filigranarbeiter damit hantieren mussten. Eingesetzt wird ein solches Werkzeug schon seit Jahrtausenden.
Der Begriff „filigran“ steht im alltäglichen Sprachgebrauch für fein, zierlich und Detailreichtum. Das Wort kommt aus dem Lateinischen: Es setzt sich aus den Bezeichnungen für Faden und Korn zusammen. In der Goldschmiedekunst entspricht Filigranarbeit einer anspruchsvollen Technik, die Goldschmiede sogar seit mehreren Jahrtausenden in verschiedenen Teilen der Welt praktizieren. Schmuckstücke in diesem Stil heben sich durch gedrehte und verwobene metallene Drähte aus, die zu kunstvollen Ornamenten angeordnet sind und manchmal sogar zierliche Metallperlen aufweisen.
Bei der Filigranarbeit handelt es sich um einen besonderen Stil der Drahtbiegetechnik. Der hierfür verwendete Draht hat in der Regel eine Stärke zwischen ca. 0,17 und 1,00 mm. Der Goldschmied dreht diese Drähte oft so, dass sie wie zierliche Kordeln aussehen und an winzige Seile erinnern. Das Rohmaterial für diese Schmuckstücke ist oft Silber oder Gold.
Zum Biegen von Drähten, besonders in Form von Wellenschlingen, benutzte man daher den „Faulenzer“, ein Brett oder eine Metallplatte mit zwei Reihen versetzt angeordneter Stifte. Dieses Werkzeug wird auch heute noch bei der Goldschmiedeausbildung eingesetzt, allerdings wird häufig auch einfach Biegevorrichtung als Begriff verwendet.
In Frankreich und der französischen Schweiz ist in älteren Goldschmiede- und Historikerkreisen für den Faulenzer der Begriff paresseux oder polochon durchaus geläufig.
Eine ganz andere Bedeutung
kennt man im 19. Jahrhundert: Ein Faulenzer bezeichnete ein Mieder, eine Art Korsett, das unter anderem vom Wäschegeschäft G. Rammenstein in Stuttgart hand- und maßgefertigt „vor allem für ältere Damen“, aber auch für heranwachsende Damen angeboten wurde. Es sollte die Trägerin dabei unterstützen, sich insbesondere im Sitzen stets gerade zu halten und keinen runden Rücken zu machen.
Lustig,
Faulenzer für das Mäppchen ist mir gänzlich unbekannt,
aber von wegen „unordentlich“ das passt schon, denn bei uns hieß es früher Schlampermäppchen 😉
saluti
Wie interessant!
Und wie gut, dass es statt des Korsetts heute Pilates gibt. Das ziehe ich dieser Art von Faulenzerei allemal vor ;-).
Ich kenne aus meiner Schulzeit (im letzten Jahrtausend) noch einen anderen „Faulenzer“: ein Mäppchen, in dem Stifte, Radiergummis und Spitzer lose und ungeordnet lagen – getreu dem Motto „Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen“. Für die Ordentlichen unter uns gab es das „Federmäppchen“, in dem der Füllfederhalter und andere Schreibutensilien mit Gummischlingen schön übersichtlich an ihrem Platz gehalten wurden.
Ja, liebe Dagmar, Korsetts wären gerade bei der aktuellen Hitze eine Qual.
Das Stiftemäppchen ist mir auch bekannt, und selbst die Kinder unserer Nachbarn (unter 14) benutzen das Wort noch. Daher habe ich es hier erst gar nicht erwähnt. 🙂
Liebe Grüße