Nettes Städtchen mit wunderbaren Festspielen
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, doch nicht immer ist das Erlebte von Interesse für die Allgemeinheit. Der diesjährige Aufenthalt in Bad Hersfeld war allerdings wieder so vielfältig, dass ich Sie daran teilhaben lassen möchte. Kommen Sie mit auf die Reise? Los geht’s!
Das kleine Kurstädtchen Bad Hersfeld im Nordosten Hessens, in dem Konrad Duden von 1876 bis 1905 Direktor des königlichen Hersfelder Gymnasiums war und der Computerpionier Konrad Zuse 1957 seinen Firmensitz hinverlegte, ist allemal eine Reise wert. In Bad Hersfeld betreibt Amazon sein ältestes Logistikzentrum in Deutschland. Das im September 1999 eröffnete Zentrum mit seinen ursprünglich 42.000 Quadratmetern – das sind 7 Fußballfelder – an Lagerfläche, das 2009 durch ein zweites 110.000 m² großes Areal – das sind wiederum 17 Fußballfelder – ergänzt wurde, beschäftigt 3.200 Mitarbeiter und besticht durch seine optimal durchorganisierten Prozesse. Auch die im Zwischenbuchhandel tätige Firma Libri, die sich übrigens im hundertprozentigen Eigentum der Unternehmerfamilie Herz (Tchibo) befindet, hat in Bad Hersfeld, der „logistischen Mitte“ Deutschlands, ein hochmodernes Distributionszentrum errichtet.
Seit 1951 finden jeden Sommer in der im Jahr 1761 bei einem Brand zerstörten Stiftskirche die überregional bekannten Bad Hersfelder Festspiele statt, weshalb die Stadt auch das „Salzburg des Nordens“ genannt wird. Die Stiftsruine bietet eine hervorragende Kulisse für Theaterstücke und Musicals. Die Bad Hersfelder Festspiele besuche ich seit etwa 15 Jahren – nicht jedes Jahr, aber fast. So standen bisher unter anderem Shakespeares „Sommernachtstraum“, Molières Komödie „Amphitryon“, Schillers „Jungfrau von Orléans“, Goethes „Faust I“ und „Faust II“ mit Rufus Beck als Mephisto und viele andere Klassiker auf dem Programm. Auch begeisterten mich die Aufführungen der Musicals „West Side Story“, „Les Misérables“ oder das legendäre „Jesus Christ Superstar“, für die die Stiftsruine als Kulisse geradezu prädestiniert ist.
Für die Spielzeiten von 2015 bis 2018 konnte Dieter Wedel als Intendant verpflichtet werden. Wir besuchten in diesem Jahr das Musical „Cabaret“, das bereits 2015 auf dem Festspielprogramm stand. Die Premiere der Wiederaufnahme in diesem Jahr fand am 12. August statt, weshalb wohl auch Dieter Wedel in der Reihe vor uns saß. Helen Schneider in der Rolle des Conférenciers und Bettina Mönch als Sally Bowles überzeugten beide mit ihrer Stimme und Darbietung. Überhaupt war „Cabaret“, das ich zum ersten Mal sah, so ganz anders als jedes andere Musical, das ich kenne: schrill, schräg und schrullig, aber beeindruckend. Als ich Herrn Wedel am Ende, der mir beim Verlassen der Ruine entgegen kam, sagte: „Sehr schöne Inszenierung, Herr Wedel, hat mir gut gefallen“, antwortete er mit strahlenden Augen: „Das freut mich, das freut mich sehr“.
Bad Hersfeld, wie gesagt, ist eine Reise wert. Wer sich für Kultur, Kunst und Kulinarik interessiert, kommt allemal auf seine Kosten. Wer jedoch mit Hund reist, erlebt so einiges, wenn er seinen Appetit – den eigenen, nicht den des Hundes – stillen möchte. Während wir in Stern*s Restaurant (ja, so schreibt es sich laut Website) nicht nur hervorragend gegessen haben und unser Terrier Filou selbstverständlich willkommen war, hieß es im Restaurant Rossa, das abends mit einer „Bistro-Karte“ aufwartet, Hunde seien im Restaurant „verboten“. Genau gegenüber, auf der anderen Seite des Kurparks, befindet sich das Hotel Am Kurpark. Im Restaurant des Hotels war es kein Problem, dass Filou dabei war. Das Pikante an der Sache: Inhaber aller drei gerade genannten Häuser ist ein und dieselbe Familie Kniese.
Wer Bad Hersfeld besucht, sollte die Gelegenheit wahrnehmen, über Land nach Eisenach zu fahren und die Wartburg zu besuchen. Auf dem Weg nach Eisenach beeindruckt die Abraumhalde Monte Kali der K+S AG bei Heringen (Werra). Die K+S AG, früher Kali und Salz AG, ist der größte Salzproduzent der Welt. Die Strecke nach Eisenach führt über pittoreske Dörfer mit alten Fachwerkhäusern, über hügelige Straßen, deren Belag noch aus DDR-Zeiten stammt, durch dichte Wälder und grüne Wiesenlandschaften.
In Eisenach selbst fiel uns die vergleichsweise hohe Zahl der Bettler auf, die mit ihren Bittschriftzetteln auch durch Cafés und Gasthäuser liefen und jeden Gast ansprachen. Warum ist das erwähnenswert? Weil sie deutlich zahlreicher in Erscheinung traten als in jeder anderen Stadt, die ich bisher gesehen habe. Alle paar Meter bietet ein Stand die obligatorische wohlduftende Thüringer Bratwurst an – da kriegt man garantiert Appetit! Zufällig entdeckten wir „Die Manufaktur“, wo Eis und Pralinen noch von Hand hergestellt und frisch geröstete Kaffeespezialitäten aus Erfurt verkauft werden. In der gläsernen Manufaktur direkt hinter dem Verkaufsladen können interessierte Leckermäulchen den Konditoren und Eisköchen über die Schulter schauen.
Die Wartburg ist ab dem Parkplatz durch einen relativ kurzen, aber recht steilen Fußweg zu erreichen. Der prachtvolle und gut gepflegte Bau beeindruckt. Dass die Führung durch die Räumlichkeiten und der Zutritt zur Sonderausstellung “Luther und die deutsche Sprache“ nur ohne Hund möglich sind, kann ich nachvollziehen, dass Hunde das einzige Café auf der Wartburg nicht betreten dürfen, befremdet uns. Nach kurzem Aufenthalt im völlig überfüllten Burghof steigen wir wieder ab – eine Herausforderung für die Knie, aber … „wir schaffen das“.
Auf der Rückfahrt beschließen wir, einer Empfehlung nachzugehen und in Göbel’s Schlosshotel „Prinz von Hessen“ in Friedewald essen zu gehen. Doch dieses Vorhaben ließ sich nicht umsetzen: Einerseits war der Empfang nicht besonders freundlich, andererseits durften auch dort Hunde das Restaurant nicht betreten. Bis wir dies jedoch erfuhren, wurden wir sage und schreibe vier Mal gefragt, ob wir Hausgäste des Hotels seien. Nach unserer Erfahrung dort werden wir wohl nie in die Verlegenheit kommen, es zu werden. Ich kann durchaus verstehen, dass Restaurants, die mit einem oder mehreren Michelin-Sternen ausgezeichnet sind, Hunde nicht akzeptieren. Nicht jeder Gast ist ein Tierfreund. Aber alle Restaurants, die wir während unseres Aufenthalts in und um Bad Hersfeld besuchen wollten und die den Zutritt für Hunde verweigern, waren **keine** Sterne-Restaurants, sondern „ganz normale“ (Gast-)Häuser.
Übrigens: Unsere absolute Hotelempfehlung für Hersfeld-Besucher mit und ohne Hund: das Hotel Haus am Park. Ein gut geführtes Hotel in ruhiger Lage mit schönen, geräumigen Zimmern mit Balkon oder direktem Zugang zum wunderschönen Garten und einem ganz tollen Frühstückbuffet. Der überaus freundliche und hilfsbereite Empfang durch das Ehepaar Schmidt, der individuelle Service und die vielen kostenlosen Extras wie zum Beispiel Kaffee, Tee und Kuchen an der Kaffeebar in der Lobby sind sehr erfreulich. Hunde sind nicht nur willkommen, sondern kosten auch nicht extra und … werden von der Hauskatze problem- und reglos akzeptiert.