Eigentum verpflichtet

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Eigentum verpflichtet

… heißt es in Artikel 14 des Grundgesetzes.

Das entbindet den Mieter jedoch nicht der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht. Erkenntnisse aus dem realen Leben …

Das Konzept des Eigentums bzw. das Eigentumsrecht ist in Deutschland ein rechts- und sozialphilosophischer Grundsatz, bei dem gefordert wird, dass der Gebrauch des Eigentums dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen bzw. ihm zugutekommen soll. Sehr gut!

Nehmen wir das Beispiel eines Hauseigentümers. Vor vielen Jahren hat er mit seiner Frau ein Grundstück erworben, ein Haus darauf gebaut, sich viele Gedanken gemacht und noch mehr finanzielle Leistungen erbracht, bis das Haus ein schönes Zuhause wurde. Mit viel Liebe zum Detail haben beide exklusive Ausstattungsgegenstände ausgesucht: eine wunderschöne Treppe aus massiver Esche, schöne Armaturen für Bad und Küche, praktische Badmöbel, eine hochwertige Küche, moderne Lichtschalter und vieles mehr. Die Hauseigentümer haben die Terrassen im mediterranen Stil eingerichtet, Lavendelbüsche gesetzt, die nicht nur die hungrigen Bienen erfreuen, und eine praktische Sonnenbeschattung vorgesehen. Sie haben das Garagendach vom einem der Balkone aus begehbar gemacht und mit hübschen Pflanzen begrünt, die Balkone mit hochwertigen Holzgeländern geschmückt. Sogar an die Tröge für Blumenkästen am Balkon und handgeschmiedete Sicherungen (ebenfalls für Blumenkästen) an den Fenstern haben sie gedacht – es wurde nicht gespart. Schließlich sollte es ja schön sein. Der Garten ist in Schuss, der Rasen grün, die Buxbäume prächtig, der Steingarten und die Kletterrose beeindruckend – auch der Kräutergarten neben den Johannisbeersträuchern und dem Quittenbaum macht Freude.

Gartenhütte mit Vorplatz nach ca. 20 Jahren (vor unserem Auszug)
Vorplatz vor der Gartenhütte nach 4 Jahren Vermietung

Eines Tages nach zwanzig Jahren bauen die Hauseigentümer in unmittelbarer Nähe ein zweites Haus und beschließen, einer Familie mit Kindern das erste Haus zu vermieten. Die Familie sollte sich darin wohl fühlen und dort ihr neues Zuhause finden. Die Hauseigentümerin hatte darum gebeten, ein paar Ableger aus ihrem ersten Garten zu holen, wenn es ans Anlegen des Gartens des zweiten Hauses ging. Vor dem Unterzeichnen des Mietvertrags war dieses Ansinnen „überhaupt kein Problem“. Doch nanu – als es soweit war, verweigerten die Mieter strikt den Zutritt zum Garten. Schließlich zahlten sie ja Miete. Nun denn, enttäuschend, aber nicht dramatisch. Und höchst seltsam.

Nachbarn und Bewohner des beschaulichen Wohnviertels, in dem praktisch jeder jeden kennt und in dem die Hauseigentümer die Mieter als nette Familie mit Kindern angekündigt hatten, wunderten sich darüber, dass es im Garten keinerlei Aktivitäten gab, man weder Eltern noch Kinder je im Garten oder auf der vorderen Terrasse sah, ja, dass auf Letzterer nicht einmal ein Blumentopf zu sehen war. Nun ja, jeder nach seiner „Fassong“, würde meine Oma sagen. Integration in eine gewachsene Gemeinschaft – denn das ist die Hardecksiedlung – sieht anders aus, aber man kann ja niemanden zwingen. Ach ja: Die Mieter waren und sind Deutsche, das nur nebenbei, und Akademiker.

So vergingen vier Jahre, bis eines Tages die Mieter kündigten – schriftlich, per Einschreiben mit Rückschein. OK, auch gut. Die Hauseigentümer suchten und fanden sehr schnell neue Mieter. Bei der Übergabe des Hauses durch die alten Mieter an die Hauseigentümer staunten Letztere nicht schlecht. Um ehrlich zu sein: Sie waren entsetzt. Noch nie hat man so viel Dreck, so viel mangelnde Sorgfalt, so viel Desinteresse gesehen. Nein, keine mutwillige Zerstörung, sondern Vernachlässigung und ein „Uns-Mietern-ist-das-alles-egal-schließlich-zahlen-wir-ja-Miete“-Verhalten. Armaturen, Waschbecken, Küchenspüle usw. sind mit schärfsten Putzmitteln „behandelt“ worden, so dass sie völlig zerfressen sind. Auch die Siphons unter den Waschbecken sind dick mit Rohr- und Metallfrass bedeckt und nicht mehr zu retten. Die Toilettenschüsseln sind in einem Zustand, den die Hauseigentümer in zwanzig Jahren nicht erreicht haben.

Der Backofen und die Mikrowelle sind versifft – jedoch ist das nichts gegen die Dunstabzugshaube, die wohl in vier Jahren nicht ein einziges Mal gereinigt worden ist. Die Wände mit Bohrlöchern und roten Dübeln übersät, Vollholzfenster mit Schrauben und Haken beschädigt und teilweise mit Schimmel an den Fugen zwischen Glas und Holz befallen. Die Vorhänge – immer noch die, die die Hauseigentümer damals „für den Übergang“ überlassen hatten – sind so schwarz, dass man durch bloßes Abhängen völlig dreckige Hände bekommt. Die Lichtschalter und Steckdosen, einst weiß, sind verschmiert und grau. Die Rollladengurte nahezu schwarz, die Duschabtrennung verdreckt und verschimmelt, die Echtholzzargen ebenfalls stark verschmutzt und klebrig. Die ursprüngliche teure Duschbrause ist durch eine billige Discounter-Variante ersetzt worden und … völlig verkalkt (wo die einstige Duschbrause geblieben ist, wissen nur die Götter).

Die Aufzählung könnte noch lang so weitergehen, doch dies wäre ziemlich sinnlos. Was mich beschäftigt und nicht locker lässt, ist die Frage, wie „eigentlich“ gebildete Menschen ein Haus, das sie bewohnen, so verkommen lassen können. Wie sie das unter einer derart verdreckten Dunstabzugshaube zubereitete Essen haben genießen können. Wie sie mit dem Gedanken an zerstörten Gegenständen, die ihnen nicht gehören, umgehen konnten. Wie sie beispielsweise auch den weißen freistehenden Briefkasten oder die beiden Eingangstore nebst Steinplatten so haben verdrecken und vermoosen lassen können, ohne auch nur den geringsten Gewissensbiss zu haben. Wie sie den Rasen und die Pflanzen im Garten, den Steingarten und den Kräutergarten so haben vernachlässigen können. Wie sie zuschauten, während der Holzhandlauf an den Balkonen langsam verfaulte, so dass er jetzt zerbröselt, wenn man ihn nur anfasst.

Das war einmal ein gepflegter Rasen.

Es ist mir ein Rätsel. Wäre ich Mieterin – und ich war fast 25 Jahre Mieterin in diversen Objekten – würde ich mich in Grund und Boden schämen, ein Haus in diesem Zustand an die Eigentümer zurückzugeben. Beschämend für diese Mieter! Die Hauseigentümer durften das Grundstück während der vier Jahre, in denen die Mieter dort wohnten, nicht betreten. Unter keinen Umständen – übrigens konnten die in Baden-Württemberg gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmelder auch nur nach mehrfachen Hinweisen auf die gesetzliche Vorschrift durch einen Handwerker installiert werden. Hatte da jemand eine Leiche im Keller? Keine Ahnung.

 

Meine Meinung: Nicht nur Vermieter haben Pflichten. Dem Mieter obliegen laut § 543 Abs. 2 Satz.1 Nr. 2 BGB Obhuts- und Sorgfaltspflichten. So hat der Mieter mit der Mietsache pfleglich und schonend umzugehen. Er muss die Haus- und Wohnungsschlüssel sorgfältig aufbewahren (bis auf 2 Schlüssel sind alle „verschwunden“). Bei sog. Betriebsstörungen ist der Mieter verpflichtet, diese unverzüglich anzuzeigen und erforderlichenfalls zunächst unaufschiebbare Sicherungsmaßnahmen selbst zu treffen (Schadensvermeidungspflicht) – Stichwort Handlauf an den Balkonen.

Eigentum verpflichtet – ich meine: auch den Mieter. Nicht zuletzt, da der Besitz des Mieters an der Mietwohnung vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich in den Schutzbereich des Eigentums einbezogen wurde. Ich meine: Wer fremdes Eigentum, das ihm anvertraut wird, so respektlos behandelt, verdient keinen Respekt. Da tut es nichts zur Sache, dass derjenige Miete bezahlt hat.

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