Albert: vom Feind zum Freund

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Albert: vom Feind zum Freund

Eine bewegende Geschichte

1945 waren eine Dreiviertelmillion Deutsche Kriegsgefangene in Frankreich. In Deutschland waren zum Kriegsende etwa eine Million Franzosen zur Zwangsarbeit eingesetzt. Die Einzelschicksale sind so unterschiedlich, wie es Menschen gibt.

Heinz Neuthard erzählte mir die Geschichte von Albert und einer Freundschaft, die schon in der vierten Generation besteht.

„Wir schreiben das Jahr 1940. Ich war damals erst ein Jahr alt, als meine Großeltern, Hugo und Anna Neuthard, einen französischen „Prisonnier de guerre“, einen Kriegsgefangenen, zugeteilt bekamen. Da alle männlichen Familienmitglieder zum Kriegsdienst eingezogen waren, war Albert eine willkommene Hilfe im landwirtschaftlichen Betrieb meiner Großeltern.

Albert war im Jahre 1914 in dem kleinen Dorf M. im Département Nord geboren, wo auch seine Eltern eine Landwirtschaft betrieben. Das Leben als Zwangsarbeiter war hart. Im ersten Jahr wurde er zusammen mit anderen Kriegsgefangenen allabendlich im Weiherer Rathaus eingeschlossen. Der Kontakt zu seiner Heimat wurde dadurch aufrecht erhalten, dass seine damalige Freundin und spätere Frau Gabrielle, ihm regelmäßig Briefe aus der fernen Heimat schickte. Albert verfiel nicht in Wehmut, sondern nahm sein Schicksal an. Abends paukte er deutsche Vokabeln und lernte so, unsere Sprache zu verstehen – mit Weiherer Dialekt.

Die Jahre vergingen, Albert wohnte nun im Hause meiner Großeltern, wurde von ihnen längst wie ein Sohn angesehen und war im ganzen Dorf beliebt: Er war für alle einfach „der Albert“. Im Mai 1945, als der Krieg zu Ende war, wurde Albert von zwei französischen Offizieren abgeholt, denen er bestätigte, er sei so gut behandelt worden.

Danach hörten wir lange Zeit nichts voneinander. Erst im Jahre 1970 nahmen wir wieder Kontakt auf. Albert sprach immer noch Deutsch. Nach gegenseitigen Besuchen wurde die alte Freundschaft wieder aufgefrischt. Wir waren zu den Hochzeiten seiner Enkelinnen eingeladen, das waren große Feste und unvergessliche Tage.

Als Albert im September 1997 im Alter von 83 Jahren starb, hatten wir plötzlich keinen „Übersetzer“ mehr, und so drückte ich noch einmal die Schulbank und lernte „la langue française“, was mir am Anfang ziemlich schwer fiel, aber jetzt viel Spaß macht. Mit gegenseitigen Besuchen und durch regen Briefverkehr mit seiner inzwischen über 90-jährigen Frau und seiner Tochter erhalten wir die Freundschaft nun schon in der 4. Generation und hoffen, dass sie weiter bestehen wird.“

Eine wahre und wahrhaft schöne Geschichte … Danke, Heinz Neuthard, dass Sie sie mir erzählt haben.

  1. Was für eine schöne Geschichte. Sie erinnert mich ein wenig an ein Buch, das ich gerade gelesen habe: „Was Ida sagt“ von Odile Kennel. Da geht es unter anderem um einen deutschen Soldaten in der Normandie und ein Mädchen, das sich in ihn verliebt.

    • Vielen Dank, Daniela, auch für den Buchtipp. Das klingt gut.

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