Vom stillen Örtchen zur Erlebniswelt

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Vom stillen Örtchen zur Erlebniswelt

Was es nicht alles gibt …

Angeregt durch den lesenswerten Beitrag von Alexandra Kleijn auf ihrem hervorragenden Blog Buurtaal und nach Rücksprache mit ihr, ließ mich die Sache nicht mehr los. Wem das Thema unangenehm ist, hört am besten gleich auf zu lesen.

Schon die Kleinsten müssen. Sie tun es in die Windeln (les couches). Dann lernen sie, aufs Töpfchen zu gehen (aller sur le pot). Bei Kindern und Hunden wollen Mutti, Vati bzw. Frauchen und Herrchen die Angelegenheit gerne durch ein aufforderndes „mach pipi“ (fais pipi) beschleunigen – was natürlich nicht immer klappt. Bei dem größeren Geschäft hört man allerlei Aufmunterungen, hier seien stellvertretend nur zwei Beispiele genannt:

  • Mach a-a / mach A-A
  • Mach deinen Stinker  (was im Badischen auch „mach’s Stinkerle “ heißen kann).

Toilette ist nicht gleich toilette

Auf Buurtaal haben wir bereits gelernt, woher das Wort Toilette  kommt und welche ganz unterschiedlichen Bedeutungen es im Laufe der Jahrhunderte angenommen hat. Ergänzend sei die französische Wendung „faire sa toilette“ genannt, was soviel heißt wie „seine Morgen-/Abendtoilette machen“ und keinesweg mit dem Gang aufs stille Örtchen zu tun hat. Der Ausdruck „faire un brin de toilette “ entspricht daher der „Katzenwäsche“ oder aber, wenn man zum Beispiel nach einer längeren Autofahrt am Ziel angekommen ist, dem Vorgang „sich schnell frisch machen“.

Für den Gang zur Toilette kennt man als „neutrale“ Botschaft folgende Möglichkeiten:
Zur / auf die Toilette gehen – aller aux toilettes
wobei anzumerken ist, dass toilettes in dieser Bedeutung stets im Plural steht.

Mein Hund ist ein business dog, er erledigt seine großen und kleinen Geschäfte zügig. Menschen, die ein dringendes Bedürfnis haben (avoir un besoin urgent), melden dies bei Bedarf ganz unterschiedlich an: In Alexandra Kleijns Beitrag Hinter verschlossenen Türen ist sowohl im Artikel als auch in den zahlreichen Kommentaren eine große Auswahl deutscher (und natürlich auch niederländischer) Ausdrücke und Wendungen zu finden.
Hier eine kleine Auswahl aus der französischen Sprache:

  • uriner (med.), aller faire pipi, aller pisser / pissouiller (vulg.)
  • aller là où le roi va à pied (dort hingehen, wo der König zu Fuß hingeht)
  • aller faire ses besoins (seine Bedürfnisse erledigen)
  • aller se soulager (sich erleichtern)

In einsprachigen Lexika wie Le Petit Robert oder beim CNRTL (Centre National de Ressources Textuelles et Lexicales) lautet die Definition für toilettes  in der Bedeutung WC: „lieu d’aisance “, was ich für eine wunderbare Umschreibung für die Erleichterung, die mensch am fraglichen Ort erfährt, halte.

So heißt das Örtchen

Der Franzose kennt auch das WC – les WC, les water-closet,  – ebenfalls stets im Plural: aller aux WC, aller aux waters (Aussprache [oua-tère]). Übrigens sagt man in Belgien dagegen „la toilette“ (im Singular).

Zum Genus ist anzumerken, dass im Deutschen Klo, Klosett, WC neutral und Toilette weiblich sind. Dagegen heißt es im Französischen:

  • les toilettes (f) sont bouchées
  • les WC (m) / les waters sont bouchés

Von früher kennt man in Frankreich noch les cabinets, was auch noch als neutrale Bezeichnung gilt und heute noch gerne von Kindern verwendet wird: aller aux cabinets (ebenfalls im Plural).

Auf einer weniger feinen Sprachebene kennt man in Frankreich zum Beispiel noch die Ausdrücke les latrines, le pissoir, la pissotière, les chiottes, les gogues, le goguenot – um nur einige Begriffe zu nennen. Die Bezeichnung „vespasienne“ geht auf den römischen Kaiser Vespasian zurück, der als Erfinder der ersten kostenpflichtigen Toilette im alten Rom gilt.

In öffentlichen Toiletten (WC publics) – früher auch „öffentliche Bedürfnisanstalt“ genannt – finden sich bei den Herren sog. Urinale (les urinoirs), die übrigens auch in Privathäusern immer stärker Einzug halten, und die herkömmlichen Kloschüsseln (cuvettes).

1980 tauchte in Paris erstmals die sog. „sanisette“ auf, eine Art öffentliches Klohäuschen, das die inzwischen übel riechenden „vespasiennes“ ablöste.

In Flugzeugen, Zügen oder Reisebussen sowie auf Schiffen geht man auf die Bordtoilette – schlicht und einfach les WC auf Französisch. Und überall auf der Welt weisen die Zahlen „00“ auf die Toiletten hin.

Bauart und Material

Auch heute findet man in Frankreich häufig die sog. „toilette à la turque“, die im Deutschen mit „Hocktoilette“ oder „Stehtoilette“ umschrieben wird und – so liest man es – eine belgische Erfindung sein soll. Groß war mein Schock Ende der 1990er Jahre, als in den neu errichteten Gebäuden eines international tätigen französischen Konzerns, den ich anlässlich einer Konferenz besuchte, in den Toiletten fast ausschließlich diese „Stehtoiletten“ zu finden waren. Diese Bauart ist zweifellos hygienischer als die hierzulande bekannte Kloschüssel, jedoch für Ungeübte sehr gewöhnungsbedürftig.

Bei der üblichen Toilettenschüssel gibt es den Tiefspüler, dessen Manko bei Wikipedia wie folgt erläutert wird: „Ein Nachteil gegenüber dem Flachspüler ist jedoch, dass das Wasser oft an das Gesäß hochspritzt.“ Dagegen erlaubt ein sog. Flachspüler die manchmal notwendige Entnahme einer Stuhlprobe (prélever un échantillon des selles), allerdings ist diese Bauart mit einer größeren Geruchsbelästigung verbunden, da die Fäkalien (défécations) nicht ins Wasser fallen.

Die Toilettenschüssel (la cuvette) ist in den allermeisten Fällen aus Porzellan (en porcelaine), die WC-Brille, Toilettenbrille, Klobrille  (lunette des WC) oder im Fachjargon WC-Sitzring aus Kunststoff (en matières plastiques), seltener – aus hygienischen Gründen – aus Holz (en bois). In regelmäßigen Abständen gibt es sie zum „Nachrüsten“ bei den Discountern: farbig, durchsichtig, mit Lichteffekt usw. sowie mit einer Vorrichtung, die dafür sorgt, das sich der Toilettendeckel  (le couvercle des WC) automatisch schließt (à fermeture automatique).

Wichtige Hilfsmittel

Ein wichtiges Hilfsmittel ist das Toilettenpapier (le papier toilette, papier hygiénique, papier WC), das wohl erst Anfang des 20. Jahrhunderts Einzug in Europa hielt. Doch in den ersten Jahrzehnten hielt man Klopapier für einen Luxusgegenstand und verwendete meist Zeitungsabschnitte. Ich selbst habe Ende der 1960er Jahre als Kind noch erlebt, dass die Etagentoilette eines Dachgeschosses, das an Studenten vermietet war, mit einem Exemplar eines alten Telefonbuches ausgestattet war. In Frankreich gab es in den 1950er und 1960er Jahren eine für meine Verhältnisse grausliche Ausführung von Toilettenpapier, das sog. bulle-corde lisse: einzelne lose Blätter, ineinander gefaltet, aus braunem glattem Papier, das ein wenig an Pergamentpapier (Butterbrotpapier) erinnerte. Doch zum Glück ist dieses Produkt so gut wie verschwunden.

Toilettenpapier erhält man in der Regel in Rollen (en rouleaux à 2, 3 ou 4 épaisseurs): 2-lagig, 3-lagig und 4-lagig, weiß oder bunt, mit Häschen und Narzissen an Ostern, Tannenbäumen und Elchen vor Weihnachten, Blümchen im Frühjahr… – jedoch möglichst weich und saugfähig (doux et absorbant). Etwas überrascht bin ich gewesen, als ich las, dass jeder Europäer etwa 14 Kilo Toilettenpapier jährlich verbraucht, das entspricht zwischen 52 und 62 Blätter (je nach Anzahl der Lagen) täglich. Die Toilettenbürste oder Klobürste (brosse) darf man natürlich nicht vergessen.

Ist das Geschäft erledigt, betätigt man die Spülung (activer la chasse d’eau) durch Drücken der Betätigungsplatte oder des Drückers (plaque de déclenchement). Da früher die Spülung – in einem über Kopf angebrachten Kasten – durch Ziehen einer Schnur oder Kette ausgelöst wurde, ist in Frankreich auch heute noch die Wendung „tirer la chasse d’eau“ geläufig.

 

Das ultimative Klogang-Erlebnis

Die allerneuste Errungenschaft – nun ja, alles eine Frage der persönlichen Einschätzung – soll das WC sein, das „Sie mit Wasser reinigt“ (… qui vous lave à l’eau) – sozusagen die Gratisdusche von unten, letzten Endes eine Abwandlung des französischen Bidets.

Der Premium-Anbieter dieses Produkts umschreibt die Wohltaten seiner Erfindung wie folgt:

„… Ein individuell regulierbarer Wasserstrahl reinigt den Po schonend und wohltuend. […] Je nach Komfortlevel vervollkommnen zusätzliche Funktionen wie oszillierender Duscharm, die Ladydusche für die natürliche Intimpflege der Frau, eine pulsierende Massagedusche, Warmluftföhn, Fernbedienung oder Memoryfunktion das Duschprinzip.

und in der französischen Fassung:

„… Son jet d’eau réglable individuellement vous fait du bien et vous nettoie les fesses en douceur. […] Selon le niveau de confort choisi, le système de douche gagne en plus-value par des fonctions additionnelles telles que bras de douchette oscillant, douchette dame pour les soins intimes de la femme, jet massant pulsé, séchoir à air chaud, télécommande ou fonction mémoire.

Das erklärt vielleicht, warum so mancher gar nicht mehr von der Kloschüssel aufstehen möchte …?

  1. hallo,
    micht wundert ein Satz aus sprachlichen, nicht „hintertürlichen“ Gründen:
    „… und nach Rücksprache mit ihr, ließ mich die Sache nicht mehr locker.“
    Ich dachte, es hiesse
    – entweder: ich liess nicht locker,
    – oder: die Sache liess mich nicht los.
    Allerdings lebe ich schon lange im Ausland und spreche daher wenig deutsch.
    Täuscht mich mein Sprachgefühl?

    Salutations confraternelles – ou plutôt consoeurelles??? 😉
    Silvia

    • Absolut richtig! Das kommt vom berühmten „copier-coller“… Es muss natürlich heißen „… ließ mich nicht mehr los“. Ich werde es gleich korrigieren. Vielen Dank für das aufmerksame Lesen und herzliche Grüße 🙂

  2. Unterhaltsam und lehrreich! Iich freue mich, dass mein Blogbeitrag zu diesem doch etwas heiklen Thema Dich inspiriert hat 🙂

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