Wordsmiths: Jessica Link

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Wordsmiths: Jessica Link

Rüsterweg featuring wordsmiths: neue Reihe

Die Welt der Übersetzer*innen und Dolmetscher*innen ist sehr groß. Wer als Kunde einen Dienstleister in diesem Bereich sucht, hat es schwer, jemanden zu finden, der seinen hohen Ansprüchen gerecht wird. Als Macherin von Rüsterweg möchte ich daher eine neue Reihe ins Leben rufen, in der ich Kolleginnen und Kollegen vorstelle, die nach meinem Empfinden echte Profis sind. Den Anfang macht heute Jessica Link.

Jessica, wie kam es, dass du den Wunsch hattest, Übersetzerin zu werden?

Ursprünglich war es gar nicht mein Ziel, Übersetzerin zu werden bzw. als Übersetzerin meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Zuerst interessierte ich mich für zwei andere Studiengänge: Psychologie und Japanologie. Psychologie habe ich wegen des vorgeschriebenen Mathematikteils (überhaupt nicht mein Fall) ad acta gelegt, und Japanologie war mir dann doch zu theoretisch und zu „trocken“. Sprachen haben mich allerdings schon immer interessiert und fasziniert. Sprachen „konnte“ ich schon immer, und meine Klassenkameraden haben mich früher gerne auch „wandelndes Wörterbuch“ genannt. So bin ich über mein Interesse an Japanologie auf den Studiengang „Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft“ der Universität Mainz gestoßen. Ich fühlte mich sofort von dem praxisorientierten Ansatz angesprochen und bewarb mich um einen Studienplatz für die Fremdsprachen Englisch und Italienisch. Während des Studiums war ich davon überzeugt, niemals als Übersetzerin arbeiten zu wollen. Rückblickend lag das allerdings vor allem daran, dass uns an der Universität kaum etwas über den Alltag als Übersetzer*in erzählt wurde. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie vielseitig dieser Beruf sein kann. Mein erste Stelle nach der Universität war dann auch prompt als In-House-Übersetzerin für einen international tätigen Konzern in der Stahlindustrie mit Hauptsitz in Norditalien. Diese Festanstellung hat mir gezeigt, dass mir der Beruf grundsätzlich Spaß macht.

Welche Ausbildung hast du hierzu absolviert?

Ich habe einen Abschluss als „Diplom-Übersetzerin für Englisch und Italienisch“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Der Studiengang hieß damals „Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft“. Mein Schwerpunkt im Hauptstudium war Übersetzen. Als Nebenfächer hatte ich Verhandlungsdolmetschen und Recht.

 

Du hast dich auf drei Fachgebiete spezialisiert: Technik, Recht sowie Werbetexte und Marketing. Wie kam es dazu und wie hast du dich da eingearbeitet?

Recht habe ich als Nebenfach an der Universität studiert. Deshalb hatte ich im Hauptstudium Übungen zum Fachübersetzen mit diesem Schwerpunkt. Ich finde dieses Fachgebiet auch heute noch spannend. So spannend sogar, dass ich ehrenamtlich als Schöffin tätig bin. Gerade für Industriekunden überschneidet sich das Fachgebiet „Recht“ zum Beispiel beim Übersetzen von Spezifikationen für Ausschreibungen mit meinem anderen Fachgebiet „Technik“. Die ersten Berührungspunkte mit dem großen Gebiet „Technik“ hatte ich in meiner Festanstellung direkt nach dem Studium. Mein ehemaliger Arbeitgeber entwickelt und produziert Anlagen für die Stahlindustrie. Während meiner Festanstellung betreute ich zwei Projekte in Deutschland und war auch bei den jeweiligen Inbetriebnahmen als Dolmetscherin vor Ort. Zu sehen und zu verstehen, wie Anlagen funktionieren und miteinander interagieren, fand ich von Anfang an sehr spannend. Ich musste die gesamte Projektdokumentation übersetzen, d. h. unter anderem Verträge, Schaltpläne, technische Zeichnungen, Protokolle von Meetings. Kurz gesagt, alles, was anfiel. Ich hatte zum Glück sehr viele nette Kollegen (Ingenieure, technische Zeichner, Schweißer), die mich mit ins Werk nahmen und mir immer bereitwillig Rede und Antwort standen. Diese Praxiserfahrung möchte ich heute nicht mehr missen, denn sie hat die Grundlagen für meine heutige Spezialisierung gelegt. Nach meiner Festanstellung waren zu Beginn meiner Freiberuflichkeit dann gerade Elektrotechnik und Industrieautomation als Fachgebiete für meine Sprachkombinationen sehr gefragt. Das Fachgebiet „Werbetexte und Marketing“ kam im Laufe der Zeit für Kunden aus Elektro-, Energie- und Automatisierungstechnik dazu, für die ich Broschüren und Pressemitteilungen übersetze. Ab und zu arbeite ich in dieser Spezialisierung auch an für mich „fachfremden“ Texten aus dem Wein- und Olivenanbau, bei denen mir meine Leidenschaft für guten Wein und gutes Essen nützlich ist.

Du bietest auch das Dolmetschen als Leistung an. Wo kommst du beispielsweise zum Einsatz und welche besonderen Herausforderungen stellt das Dolmetschen?

Vor vier Jahren bin ich von Italien nach Deutschland zurückgewandert und seitdem sind die Einsätze als Dolmetscherin weniger geworden, aber so vier- bis fünfmal im Jahr bin ich auch als Dolmetscherin unterwegs. Übersetzen und Dolmetschen verlangen unterschiedliche Techniken und Herangehensweisen. Da ich überwiegend übersetze, übe ich deshalb regelmäßig meine Notizentechnik mit Redebeiträgen von Politikern oder anderen Personen. So stelle ich sicher, dass ich nicht komplett aus dem Tritt bin, wenn eine Anfrage und ein anschließender Einsatz als Dolmetscherin kommen. Für mich ist deshalb die größte Herausforderung, meine Konzentration konstant so zu trainieren, dass ich problemlos langen Redebeiträgen folgen kann, und mir dafür entsprechend Zeit in meinem Berufsalltag einzuplanen.

Du bist seit 2010 selbstständig. Was gefällt dir daran besonders?

Ich arbeite seit 2008 als Übersetzerin. Hauptberuflich selbständig bin ich seit 2010. Mir gefällt die Abwechselung im Vergleich zu meiner früheren Festanstellung. Manchmal weiß ich nicht, was nächste Woche passiert oder was zum Übersetzen auf meinem Tisch landet. Die flexible Einteilung meiner Arbeitszeit schätze ich am meisten. Ich kann heute als Selbstständige mein Privat- und Berufsleben viel besser vereinbaren als noch in meiner Festanstellung.

Auch an dich die Frage: Würdest du jungen Menschen, die auf der Suche nach einem beruflichen Weg sind, empfehlen, sich im Sprachenbereich selbstständig zu machen? Worauf müssen sie gefasst sein?

Allgemeine Empfehlungen auszusprechen, finde ich immer schwierig. Wie bei so vielem im Leben lautet meine Antwort weder Ja noch Nein. Man sollte sich zuerst fragen, ob man für die Selbstständigkeit geschaffen ist und die Voraussetzungen für die Selbstständigkeit mitbringt. Wenn man diese Fragen mit „Ja“ beantworten kann und sich im Sprachenbereich selbständig machen möchte, müssen sich Neulinge in unserer Branche vor allem bewusst sein, dass sie sich sehr viel mit Technik im weitesten Sinne auseinandersetzen müssen. CAT-Tools (1), Spracherkennungssoftware, Probleme bei Konvertierungen von Dateien, Probleme mit dem Computer. Für all das braucht man Lösungsansätze. Oftmals muss die Lösung schnell gefunden werden, sodass man sich nicht an einen Experten wenden kann. Meine Erfahrung zeigt auch, dass sehr viele ein verklärtes Bild vom Übersetzen haben, das oft nichts oder kaum etwas mit der Realität zu tun hat. Unsere Branche ist schnelllebig. In Unternehmen wird oft gerne vergessen, dass Texte auch übersetzt werden müssen. Deshalb steht man oft unter Zeit- und Termindruck. Die (neuronale) maschinelle Übersetzung ist auf dem Vormarsch und wird immer besser. Ich bin davon überzeugt, dass sie bald zum Alltag aller Übersetzer gehören wird. Das heißt nicht, dass Übersetzer verschwinden werden. Unser Beruf wird sich allerdings in den nächsten Jahren vielleicht stärker wandeln, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Wer weiterhin erfolgreich sein will, muss mehr Kompetenzen mitbringen als das reine Handwerkzeug eines Übersetzers.

Ganz herzlichen Dank, liebe Jessica, für diese Ausführungen.

(1) CAT-Tools: Computer Aided Translation Tools

  1. Wie interessant, mehr über andere Kolleginnen zu erfahren! Schöne Idee, Giselle. Auf weitere Interviews freue ich mich jetzt schon.

    Schöne Grüße

    Marta

    • Das ist ja super – wie Weihnachten und Ostern an einem einzigen Tag! 😉

    • Danke Birgit. Ja, aber die Kollegen und Kolleginnen können sich so auch potenziellen Kunden vorstellen, da ich sehr viele Abonnenten aus Unternehmen habe, die Übersetzungsleistungen beauftragen.

      • Das ist richtig. Aber es gibt ebenso Kollegen und Kolleginnen, wie mich, die nicht nur selbst übersetzen, sondern auch Aufträge vermitteln. So lernt man neue pot. Auftragnehmer kennen – mir ist wichtig, auch etwas mehr über meine Partner zu erfahren. Das macht mich sicherer, den richtigen Übersetzer/die richtige Übersetzerin für den konkreten Auftrag auszuwählen.
        Und das ist der Mehrwert, den mir dein Blog hier bietet. Danke!

        • Ja, genau – Kennenlernen und Ausloten, ob er/sie der/die Richtige für den jeweiligen Auftrag ist.
          Ich freue mich, dass dir mein Blog gefällt und nützlich ist.

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