Durchstarten statt warten

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Durchstarten statt warten

Mit Elan das eigene Geschäft antreiben.

„Die Zeiten sind für Übersetzer:innen derzeit nicht einfach.“

Aber wann waren sie das? Bestimmt nicht, als die Septuaginta, die älteste durchgehende Übersetzung der hebräisch-aramäischen Bibel in die altgriechische Alltagssprache, zwischen etwa 250 v. Chr. bis 100 n. Chr. entstand. Sicher auch nicht zu Zeiten unseres Schutzpatrons Hieronymus (zur Erinnerung: 347-420) oder als in den Klöstern ganze Heerscharen von Übersetzern in kalten Räumen ihrer Arbeit nachgingen, bis ihre Finger schmerzten – wir erinnern uns an Umberto Ecos Roman Der Name der Rose und dessen Verfilmung. Auch die Epoche der Romantik zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Shakespeare-Übersetzer Schlegel, Baudissin und Tieck mit Federkiel und Tintenfässchen ans Werk gingen und zum Beispiel auch Goethe sich mit dem Thema Übersetzen befasste, war voller Tücken. Wussten Sie, ganz nebenbei bemerkt, dass Goethe Werke aus fünf Quellsprachen (Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch und Altgriechisch) übersetzt hat? Und wer noch die Zeit vor der Computer-Ära erlebt hat, weiß einiges zu berichten: Übersetzungen, die erst mit Bleistift und Radierer im Entwurf geschrieben und dann auf einer Schreibmaschine ohne Korrekturtaste, mit Kohle- und Durchschlagpapier, abgetippt wurden. Vertippte man sich im unteren Drittel der Seite, konnte man wieder von vorne anfangen. Übrigens: Nein, man muss nicht 90 Jahre alt sein, um das erlebt zu haben.

Also, keine rosigen Zeiten für Übersetzer:innen? Dass die Beurteilung der Situation stets relativ ist, leuchtet ein. Hinzu kommt, dass jeder Mensch bei allem seine eigene Wahrnehmung hat. Doch genug philosophiert. Wir erleben mit der Corona-Pandemie Zeiten, die für uns alle neu sind. Alles ist auf den Kopf gestellt. Es wird dauern, bis die Wirtschaft wieder volle Kraft vorausgeht, bis Verlage wieder ihre Programme boosten und bis Veranstalter von Kongressen und Firmenbesprechungen, die inzwischen gelernt haben, dass Letztere oft auch als Video- oder Telefonkonferenzen abgehalten werden können, wieder Dolmetschleistungen wie vor der Pandemie beauftragen. Und ob jemals wieder alles „wie vorher“ in die Reihe kommt, weiß keiner.

Fazit: Jede Zeit hat ihre Tücken und Schwierigkeiten, mal mehr, mal weniger – nicht nur für uns Sprachenprofis, sondern für alle.

Abwarten und klagen ist keine Lösung

Nun könnten wir, die wir das Glück hatten/haben, nicht an Covid-19 zu erkranken, jammern, klagen, eventuell uns und die Situation bedauern und abwarten. Das bringt aber nichts. Die Akquise von Firmenkunden war auch vor vierzig Jahren nicht einfach. Erschwert wurde die Kundengewinnung dadurch, dass man als Solo-Unternehmer in unserer Branche außer einem Telefon nichts hatte. Welche Unternehmen als Kunden überhaupt infrage kommen konnten, musste man im Branchenbuch aus Papier, den berühmten Gelben Seiten, oder in Firmenverzeichnissen, die man käuflich erwerben musste, recherchieren. Dann rief man manchmal an (und jedes Telefonat kostete Geld) oder man schrieb einen Brief – ja, wirklich. Den steckte man in einen Umschlag, der mit einer Briefmarke versehen und dann zur Post gebracht wurde. Meistens bekam man keine Antwort oder aber eine Absage. Rosige Zeiten? Mitnichten.

Durchstarten statt warten

Vergessen Sie das Warten und starten Sie durch! Wie das gehen soll? Ich verrate Ihnen ein paar Tipps – wie immer mit klaren Worten, ohne Glacéhandschuhe. Sie wissen ja: Sie, meine Kolleginnen und Kollegen (und ich schließe natürlich die Dolmetschprofis ein, obwohl ich nicht dolmetsche), Sie sind mir wichtig – egal, ob Sie Berufseinsteiger:in oder bereits länger in dem Metier tätig sind.

Zu allererst zwei Essentials:

Lesen Sie sehr aufmerksam meinen Artikel Time to upgrade. Zugegeben, er ist kurz vor Ausbruch der Pandemie in Europa entstanden, aber die Schritte und Maßnahmen, die dort erläutert sind, gelten nach wie vor und jetzt sogar erst recht:

Schritt 1vorbereitende Maßnahmen (unternehmerisches Denken und Handeln; Akquisegrundlagen; Soft Skills)
Schritt 2prüfen Sie den Inhalt Ihres „Rucksacks“ (Stärken und Schwächen; Alleinstellungsmerkmal; Fachgebiet; Weiterbildung; Kommunikation)
Schritt 3 – die Strategie

Besorgen Sie sich mein Buch Das große 1×1 für selbstständige Übersetzer  und arbeiten Sie die für Sie relevanten Kapitel durch. „Es richtet sich an Berufseinsteiger, die sich für den Weg in die Selbstständigkeit entschieden haben, aber auch an alle Übersetzer, die schon ein gutes Stück auf diesem Weg zurückgelegt haben und sich weiter professionalisieren und im Markt als Sprachexperte positionieren möchten„, so die Beschreibung des BDÜ Fachverlags. Ich empfehle Ihnen mein Buch nicht, weil ich damit „wahnsinnige Geschäfte“ mache – ich habe so viel Zeit in die Erarbeitung des Manuskripts gesteckt, dass ich auf einen miserablen Stundenlohn käme, wenn ich danach ging. Es kann Ihnen wirklich helfen, sich (besser) zu positionieren.

Neben den taktischen Eckpunkten, die anzugehen sind, ist ein anderer Punkt enorm wichtig, wenn nicht ausschlaggebend, nämlich …

Die innere Einstellung

Gehen Sie positiv und mit Elan an „die Sache“. Wer von vornherein meint, Akquise funktioniert nicht und/oder wer sich unterirdische Preise aufdrücken lässt, wer in Bezug auf seine selbstständige Tätigkeit negative Glaubenssätze in sich trägt, kann einfach nicht erfolgreich sein, ist in der Selbstständigkeit fehl am Platz und sollte eine Festanstellung anstreben.  DAS zu erkennen, sich einzugestehen und einen neuen Weg zu gehen, ist KEIN Versagen. Im Gegenteil. Es zeugt von Klugheit und Mut: Schließlich geht es doch um Sie, um Ihr Leben, und SIE sind der wichtigste Mensch in Ihrem Leben. Auch da sage ich: Warten Sie nicht, bis Ihnen das leidige Selbstständigsein über den Kopf wächst, bis Sie völlig entmutigt sind – nehmen Sie den neuen Weg in Angriff und starten Sie durch. (Zu diesem Thema werde ich in Kürze einen Artikel veröffentlichen.)

Entscheiden Sie sich dafür, Ihren Weg in der Selbstständigkeit fortzusetzen, gibt es nur eines: Mit Elan durchstarten.

Auch wenn Sie – ob aus Schüchternheit, aufgrund von negativen Erfahrungen oder aus anderen Gründen – eine innere Ablehnung gegen Akquise per Telefon haben: Versuchen Sie es trotzdem! Ich frage Sie ernsthaft: Was haben Sie zu verlieren? Nichts. Im Gegenteil: Sie können nur an Erfahrung und Selbstvertrauen gewinnen und an der Erfahrung wachsen, und können ggf. Ihre Erfahrung mit KollegInnen teilen. Doch nicht, indem Sie posten „Ah, ich habe 10 Anrufe getätigt, es ist nichts dabei herausgekommen, ich wusste es …“, was natürlich viele dazu bewegen wird zu schreiben „Genau, das bringt nichts, das hat mir schon X oder Y erzählt …“. Seien Sie konstruktiv, schildern Sie Ihre Vorgehensweise und fragen Sie, ob jemand Tipps oder Verbesserungsvorschläge hat. Und vor allem: Berichten Sie auch über Erfolge! Die Fachgruppen und insbesondere meine Gruppe Café Umlaut auf Facebook sind nicht in erster Linie dazu da, zu jammern, sondern für einen positiven und konstruktiven Austausch.

Sie haben stets die Wahl – immer, in jeder Lebenssituation. Sie müssen nur die Konsequenzen Ihrer Wahl tragen. Entscheiden Sie sich dafür:

  1. die Dinge in die Hand zu nehmen, anstatt sich treiben zu lassen;
  2. Veränderung anzukurbeln, anstatt abzuwarten;
  3. Fakten zu schaffen, anstatt Ausreden zu suchen;
  4. mit Eigenmotivation in die Welt zu gehen, anstatt in Selbstmitleid zu versinken;
  5. Ziele mit sich zu vereinbaren, anstatt sich von außen lenken zu lassen;
  6. auf Ihre innere Stimme zu hören, anstatt auf Zufälle zu warten;
  7. selbstbewusst aufzutreten und sich (auch preislich) zu positionieren, anstatt sich manipulieren zu lassen;
  8. kurz: eine Heldin/ein Held zu sein, anstatt sich als Verlierer:in zu gefallen.

Ich bin zu hart zu Ihnen? Sorry, aber das muss sein, ich will nicht nur Ihr Bestes, sondern auch dafür sorgen, dass der Nachwuchs (den ich als „alle, die noch einige Jahre Berufstätigkeit vor sich haben“ definiere, unabhängig davon, wie lang sie schon in der translation industry tätig sind) auf beiden Beinen im Geschäftsleben steht.

Wenn Sie jetzt fragen: „Äh, wie geht das alles, was unter 1. bis 8. steht?“, muss ich (sorry) nochmals mein Buch erwähnen. Darin ist Vieles erklärt. Im nächsten Blogartikel werde ich das Thema fortsetzen.

Sie haben Fragen? Schreiben Sie mir – entweder einen Kommentar unter dem Blogpost oder per Mail (s. Impressum).

  1. Liebe Giselle,
    wenn Sie mir versprechen, dass in Ihrem Buch mehr drin steht als im Buch „Überleben als Übersetzer“ und „Grünes Licht – Ein Ratgeber zur Existenzgründung für Übersetzer und Dolmetscher“ kaufe ich Ihr Buch.

    Den Artikel habe ich mit großem Vergnügen gelesen.

    Salut
    Martina

    • Liebe Martina,
      danke für die positive Rückmeldung zu meinem Artikel. Wenn Sie in der Rubrik „Arbeitswelt“ suchen, werden Sie noch mehr Tipps finden.
      Sie werden verstehen, dass ich mich zu Büchern anderer Autoren nicht äußere. Den zweiten Titel, den Sie nennen, kenne ich übrigens gar nicht.
      Ich habe in meinem Fachbuch meine vierzigjährige Erfahrung sowohl im Angestelltenverhältnis als auch in der Selbstständigkeit verarbeitet – sehr konkret und pragmatisch, das Ganze ist in kurzen Kapiteln umgesetzt, die alphabetisch geordnet sind. Man muss also nicht das ganze Buch erst durcharbeiten, um das zu finden, was man sucht. Ich denke, dass man einem Fachbuch, das im BDÜ Fachverlag erschienen ist, vertrauen kann, aber ich will Ihnen ganz sicher nichts „aufschwatzen“. 🙂
      Herzliche Grüße
      Giselle

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