Bonjour Madame, bonjour Monsieur

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Bonjour Madame, bonjour Monsieur

Franzosen besser kennen lernen … mit Schmunzelgarantie.

Mit dem zunehmendem Grad der Mobilität der Menschen und der wirtschaftlichen Globalisierung sind berufliche Kontakte mit anderen Ländern und Kulturen schon lange keine Seltenheit mehr – und das nicht nur in großen Unternehmen. Wer nicht nur konfliktfrei mit dem Gast aus Frankreich umgehen, sondern ihn auch besser verstehen will, kann hier wertvolle Erkenntnisse erhalten.

Vorurteile ablegen

Gleich vorweg: „den“ typischen Franzosen* gibt es nicht, genau so wenig wie den typischen Deutschen, Österreicher oder Schweizer. Deshalb sollten lächerliche Vorurteile und Klischees wie „Franzosen essen nur Baguette, tragen eine Baskenmütze, rauchen alle Gauloises, fahren Peugeot oder Citroën und sind schmutzig…“ schnell vergessen werden.

Aber auch stereotype Vorstellungen, die sich zum Teil seit Jahrzehnten halten, machen wenig Sinn. So sind zum Beispiel nicht alle Franzosen Gourmets, und es gibt durchaus Angehörige der „Grande Nation “, die außerhalb von Frankreich Urlaub machen. Übrigens: Franzosen, die schon länger außerhalb Frankreichs leben und/oder beruflich viel mit anderen Ländern zu tun haben, passen nicht immer so ganz in das unten gezeichnete Bild. 😉

Begegnungen

Zum Begrüßen französischer Gäste genügt es nicht, einfach nur „Bonjour “ oder „Bonsoir “ zu sagen. Wirklich höflich gilt dies nur mit dem Zusatz „Madame “ oder „Monsieur “ – ob zur Konferenz, im Hotel, im Restaurant, auf dem Wochenmarkt oder einfach auf der Straße. Rempelt man in Frankreich versehentlich einen Herrn oder eine Dame an, sagt man „Excusez-moi, Monsieur “ bzw. „Excusez-moi, Madame “. Und im Restaurant fragt die aufmerksame Bedienung „Vous avez été satisfaite, Madame? “ (waren Sie zufrieden, Madame?) – und nicht einfach nur „Hat’s geschmeckt?“.

Zu den französischen Tugenden, die in den meisten Familien früh eingeübt werden, zählen Höflichkeit, Takt und Manieren. Auch in größeren Supermärkten wird Höflichkeit, sei es an der Charcuterie-Theke oder an der Kasse, großgeschrieben. Im Restaurant oder in Besprechungen sitzt man gerade, unter dem Tisch werden die Beine nicht ausgestreckt. Noch weniger lehnt man sich zurück mit hinter dem Kopf verschränkten Armen. Das gilt als äußerst flegelhaft. Übrigens sprechen Franzosen nicht nur gerne mit Händen und Armen, sondern auch mit den Schultern: Achten Sie auf hochgezogene Schultern, sie bedeuten „weiß ich nicht“ oder „ist mir gleichgültig“.

Kommunikation

Franzosen pflegen ihre eigene Sprache sehr genau anzuwenden. Das kommt daher, dass schon in der Schule rhetorische Gewandtheit mindestens im Schriftlichen intensiv geübt wird (was sie nicht vor Grammatik- und Rechtschreibfehlern schützt). Sie sprechen in der Regel die in der Schulzeit erlernten Fremdsprachen nicht sehr gut und mit starkem Akzent, erhoffen sich allerdings von Touristen, die ihr Land besuchen, und selbstverständlich vom Personal in Hotels außerhalb Frankreichs die (nicht unbedingt perfekte) Beherrschung ihrer Sprache. Übrigens: Während in den 1970er Jahren etwa 36 % der Schüler Deutsch in der Schule lernten, sind es aktuell nur noch knapp 15 % (Stand 2016, Quelle: Statistisches Bundesamt).

Konversation mit Franzosen gilt als eher oberflächlich, man spricht über alles und nichts – Politik, Sportereignisse, Mode usw., jedoch am liebsten über Ereignisse, die gerade in Frankreich aktuell sind – das Ganze in lebhaftem Ton und mit voller Überzeugung. Im Zwiegespräch mit Franzosen geht es nicht um Wissen, sondern um die Einstellung des Moments. Franzosen beherrschen die Kunst der Anspielung und Zweideutigkeit. Das zu verstehen, was zwischen den Zeilen gesagt wird, ist für Nicht-Franzosen das Schwierigste überhaupt, selbst wenn sie sehr gut Französisch sprechen. Franzosen lieben es zu debattieren – nicht etwa, um Recht zu bekommen, sondern um des Argumentieren willens. Und was sie dabei überhaupt nicht leiden können, sind rechthaberische „Korinthenkacker“, die immer das letzte Wort haben wollen.

Wählerisch

Franzosen stellen an Lebensmittel hohe Ansprüche in punkto Qualität und Auswahl, die sie auf Wochenmärkten und selbst in Supermärkten fachmännisch prüfen: So ermitteln sie zum Beispiel den Reifegrad einer Charentais-Melone mit der Nase, den eines Camembert durch leichten Fingerdruck bei abgenommenem Verpackungsdeckel. Franzosen essen gerne und gut, auch Familien mit bescheidenen Einkommensverhältnissen geben verhältnismäßig viel Geld für gutes Essen aus.

Aber sie sind wählerisch: Was sie nicht kennen, probieren sie in der Regel höchst ungern oder nur aus reiner Höflichkeit. Deshalb macht man ihnen die größte Freude, wenn man ihnen Gerichte anbietet, die sie von zuhause kennen. Das gilt auch und vor allem für Weine.

Franzosen sind mehrheitlich davon überzeugt, dass sich die Deutschen von Sauerkraut, Bratwurst und Bier ernähren. Im Umkehrschluss essen Franzosen natürlich ausschließlich Schnecken, Pommes und Froschschenkel. 😉

Einstellung zur Zeit

Franzosen pflegen einen individuellen und flexibleren Umgang mit Zeit. Sie wollen sich nicht durch Zeitpläne oder Tagesordnungen einengen lassen. Wenn Sie also eine Konferenz organisieren, an der überwiegend Franzosen teilnehmen, kalkulieren Sie lieber etwas mehr Zeit für die einzelnen Abschnitte und vor allem für die Pausen ein. Denn in den Pausen wird viel Informelles ausgetauscht, das man offiziell nie erfahren würde.

Franzosen nehmen sich fürs Essen Zeit. Auch an einem Arbeitstag wird mittags gepflegt gegessen. In der Mittagspause, die nicht selten eineinhalb oder zwei Stunden dauert, fahren sie oft nach Hause, um in Ruhe zu speisen. Lassen Sie Ihren Gästen stets genügend Zeit beim Essen und decken Sie Teller nicht gleich ab, sobald sie leer sind. Tragen Sie den nächsten Gang nicht gleich auf, sonst fühlen sich die Gäste aus Frankreich gehetzt.

Stolz, Franzose zu sein

Es ist in Frankreich völlig normal, dass ein Politiker „Vive la République, vive la France “ sagt (und ich spreche natürlich nicht von Politikern des FN). Und es ist auch völlig normal, wenn Monsieur oder Madame Dupont sagt: Je suis fier/fière d’être Français(e) “ (ich bin stolz, Franzose/Französin zu sein) und voller Inbrunst die Marseillaise singt. Wer das nicht nachvollziehen kann, versteht nicht viel von Frankreich.

Ganz im Gegensatz zu den Deutschen laben sich die Franzosen an ihrer Geschichte, obwohl auch bei ihnen in früheren Zeiten nicht alles so rosig war, aber darüber wird wie in anderen Ländern auch großzügig hinweg geschaut. Sie beweihräuchern sich mit den großen Siegen und den Helden, die sie vollbracht haben. Von Vercingétorix bis Napoléon – alle werden sie gefeiert, die Helden der Grande Nation. Und gleichermaßen genießen auch die „anciens combattants “, die Kriegsveteranen, noch immer Ruhm und Anerkennung für ihre großartigen Leistungen während der beiden Weltkriege, wenn alljährlich am 14. Juli, am Nationalfeiertag Frankreichs, am Grab des Unbekannten Soldaten am Arc de Triomphe ein Kranz niedergelegt wird. Dann stehen sie alle da, in Reih’ und Glied, mit ihren unzähligen Orden, Schleifen und Streifen, stolz wie Oskar, dass man sie wieder zum Appell gerufen hat.

Und – welch Parallele – so werden alt und des Singens müde gewordene französische Chansonniers und Chansonetten immer wieder aus der Versenkung geholt und in Revival-Sendungen an ihre besseren Tage erinnert, als ihre Stimme noch nicht zitterte und ihre Titel noch die Hitparaden – damals nannte man sie noch nicht Charts – anführten.

Die eigene Welt

Spätestens jetzt werden Sie schmunzeln … Franzosen leben in ihrer eigenen Welt, einer übergroßen wunderschönen Insel, deren Zentrum Frankreich und Highlight Paris ist. Tief im Innern sind sie davon überzeugt, dass ihre Welt – mit ihren Gepflogenheiten, Gesetzmäßigkeiten und Grundsätzen – die einzig Wahre und Richtige ist und dass alle anderen Völker beziehungsweise Länder sehr zu bedauern sind. Womöglich ist dies der tatsächliche Ursprung des Ausspruchs: Leben wie Gott in Frankreich. Denn ein vernünftig denkender Gott kann sich nach reiflicher Überlegung nur Frankreich als Wohnsitz aussuchen!

Franzosen wissen herzlich wenig (und doch recht viel mehr als die meisten US-Amerikaner) über andere Länder. Dies gilt sowohl für Geschichtliches als auch für Geographisches, für Politisches, Kulturelles und auch in bezug auf das aktuelle Geschehen. Die meisten Franzosen sind davon überzeugt, dass Karl der Große ein Franzose war (er heißt ja auch Charlemagne), und glauben, dass Frankfurt und München sozusagen Nachbarstädte sind. Sie würden kläglich versagen, fragte man sie nach fünf großen Wasserstraßen, die durch die deutschen Lande führen: Mehr als Rhein und Donau wären da wohl kaum drin!

Franzosen leben in dem festen Glauben, dass Bayern lediglich ein Synonym für Deutschland ist, deutsche Frauen meistens groß, blond und (bis auf wenige Ausnahme wie Heidi Klum) dick sind und Zöpfe tragen … (Ja, das ist etwas übertreiben, ich weiß).
Von den Institutionen der Bundesrepublik Deutschland haben sie keine Ahnung, und das föderalistische System mit seinen Auswüchsen, die dazu führen, dass in einem Bundesland andere Feiertage gelten als in dem Nachbarbundesland oder – noch schlimmer, weil für Franzosen völlig unverständlich – dass in einem Bundesland die SPD in einer Koalition mit den Grünen regieren, während in einem anderen Bundesland die Christdemokraten zusammen mit den Grünen das Sagen haben. Was für Deutsche zur Tagesordnung gehört – Koalitionen mal so und mal so -, verursacht bei Franzosen mindestens ein kräftiges Stirnrunzeln. Sie hatten schon damals, als es zum ersten Mal zu einer „cohabitation “ in Frankreich kam, als der linke Präsident Mitterrand aus purer Dummheit die Nationalversammlung hatte auflösen lassen und nach den Neuwahlen die Rechten die meisten Stimmen errungen hatten und somit den Premier Minister stellen durften, große Schwierigkeiten, mit dieser für sie absolut neuen Situation fertig zu werden. Ja, hier würde der Franzose sagen: „il nous a fallu gérer la situation “ – eigentlich unübersetzbar – „wir mussten damit fertig werden/klar kommen“  könnte man vielleicht sagen.

Facebook & Co.

Interessant ist, dass Facebook etwa 38 Millionen Nutzer in Deutschland hat, während lediglich knapp 30 Millionen Menschen in Frankreich bei FB registriert sind. Bei WhatsApp ist das Bild noch aufschlussreicher: Während 57 % der Internetnutzer in Deutschland WhatsApp regelmäßig nutzen, sind es in Frankreich nur 6 %, bei Twitter entfallen 22 % der Nutzer auf Frankreich gegenüber 34 % auf Deutschland (Quelle: Statista). Ähnliche Diskrepanzen entdeckt man, wenn man die Nutzerzahlen von LinkedIn, Xing und Konsorten betrachtet – übrigens sind auch vergleichsweise wenige französische Kollegen (m/w/x) aus dem Sprachmittlersegment Nutzer von social media. Kleines Detail am Rande: Weltmeister des Selfies sind die Deutschen.

Frankreich, der Online-Muffel? Ganz und gar nicht, die Kommunikation läuft in Frankreich über andere bevorzugte Kanäle und am liebsten direkt – bei einer guten Flasche Rotwein, Käse und Baguette.

À bientôt …

(*) Im Hinblick auf eine bessere Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet.

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