Mon Dieu – es schneit…

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Mon Dieu – es schneit…

… und das mitten im Winter! Quel malheur, quelle catastrophe !

Das sagen Pariser und Pariserinnen, wenn die weiße Pracht vom Himmel herabfällt und der Verkehr komplett zusammenbricht. Winterreifen, Streusalz, warme Winterkleidung, Heizverhalten – Deutsche und Franzosen gehen unterschiedlich mit der kalten Jahreszeit um.

Die Diskrepanz beginnt bereits im Herbst. Während die französischen Vertreterinnen des vermeintlich schwachen Geschlechts (le sexe présumé faible) noch lange bis in den Spätherbst ohne Strümpfe (sans bas) – in schicken Mokassins oder feschen Pumps – außer Haus gehen, sind deutsche Damenbeine längst mit Strumpfhosen (les collants) bestückt.

Wenn es dann lange genug kalt ist bzw. die Temperaturen im unteren einstelligen Plusbereich oder gar unter Null liegen, greift die deutsche Frau zur praktischen Thermojacke (la doudoune, le manteau matelassé). Sie zieht mollig warme blickdichte Strumpfhosen an und setzt sich Mützen (le bonnet) auf – ungeachtet der frisch gestylten Frisur.

Französinnen bleiben da modisch hart und frieren lieber – was sie natürlich so niemals zugeben würden. Allerdings beklagt man sich gerne über die Kälte und ist sich selbstverständlich sicher, dass es selten so kalt war: Quel froid de canard ! Cela fait des années qu’on n’avait pas eu des températures aussi basses !

Les leggings, ça fait mémère“, erzählte mir eine Freundin in Nantes (Mit Leggings sieht man wie eine Oma aus). Da friert sie lieber, wenn sie früh morgens auf den Bus wartet. Der dicke Wollschal (l’écharpe en laine) ist das Äußerste, was sie sich gönnt.

Ist es anhaltend sehr kalt, wird in den TV-Nachrichten außergewöhnlich lang über das Thema berichtet, als sei dies etwas Ungewöhnliches… im Winter. So brachten Ende Januar 2012 alle französischen Fernsehsender die Kälte als Topthema: In überlangen Berichten gab man wertvolle Tipps für den Umgang mit der Kälte, wie zum Beispiel sich warm anziehen (ach so!), keine warme Mahlzeit auszulassen (aha!) und warme Getränke zu sich zu nehmen (gute Idee!), insbesondere wenn man einer Arbeit im Außenbereich nachgeht. Donnerwetter!

Die Ende Januar bis Mitte Februar 2012 grassierende Kältewelle (la vague de froid), die tatsächlich auch Frankreich erfasste (so eine Frechheit!), stürzte Frankreich in eine Stromkrise. Denn dort wird in sehr vielen Haushalten mit Strom geheizt, was dazu geführt hat, dass der höchste Stromverbrauch (la consommation d’électricité) aller Zeiten erreicht wurde und Frankreich Ökostrom aus Deutschland importieren musste.

Vocabulaire
il fait froid = es ist kalt
un froid de canard = Eiseskälte (weil Enten, wenn der See zufriert, das Weite suchen und nach Möglichkeit fließende Gewässer aufsuchen müssen)
un froid de loup = Eiseskälte (weil in eisig kalten Nächten Wölfe besonders aktiv sein sollen)
faire froid dans le dos : cela m’a fait froid dans le dos = mir lief es kalt den Rücken herunter
prendre ou attraper froid = sich erkälten
une doudoune = Thermojacke, Daunenjacke, Steppjacke, Anorak
une peluche polaire, une veste polaire, un blouson polaire = Fleecejacke
être frileux = verfroren sein, leicht frieren

  1. Letztes Jahr an Weihnachten hatten wir sehr mildes Wetter mit ziemlich hohen Temperaturen. Normalerweise lasse ich an Weihnachten meine Töchter immer ein Kleid mit einer Strumpfhose anziehen. Ich war aber der Meinung, dass sie bei den Temperaturen keine Strumpfhose anzuziehen brauchen. Deshalb habe meine Töchter im letzten Jahr gebeten, an Weihnachten zu ihrem Kleid kurze Söckchen anzuziehen. Ich finde, bei dem milden Wetter war das für die Mädchen die richtige Kleidung an Weihnachten. Es hat ihnen sicher nicht geschadet, frische Luft an die Beine zu bekommen. Außerdem hat es mir auch gefallen, meine Töchter an Weihnachten einmal mit nackten Beinen herumlaufen zu sehen.

    • Ja, solche Gelegenheiten, mal etwas „außer der Reihe“ zu machen, sollte man nutzen: Man erinnert sich dann noch viele Jahre daran. Und vielleicht werden sich Ihre Töchter später auch an dieses eine Weihnachtsfest mit Söckchen erinnern und ihren eigenen Kindern erzählen: „Damals hat uns Mama erlaubt, Söckchen anzuziehen, weil es an Weihnachten so mild war“.

  2. Niemand aus der jüngeren Generqtion kann sich heute vorstellen, dass noch Anfang der 60er Jahre das Tragen von Kniestrümpfen für Mädchcen ein großes Thema war. Da Mädchen damals ausschließlich Röcke oder Kleider tragen mussten, sollten Strumpfhosen dafür sorgen, dass den Mädels nicht zu kalt wurde. Nun waren die Strumphosen ziemlich unbeliebt, weil unbequem.
    Bei uns war es wie in vielen Familien üblich, dass für meine Schwester und für mich ab Ostern die Zeit der Kniestrümpfe begann. Damit begann schon die Unlogik. Da Ostern in jedem Jahr auf einen anderen Termin fällt und zwischen Ende März oder Ende April gefeiert wurde, konnte es zum Fest mal warm, aber auch noch echt kalt sein. Aber Ostern war für meine Mutter eben Frühlingsanfang, unabhängig von Datum und tatsächlichen Wetter.
    Als ich sechs oder sieben jahre alt war, gab es einen schönnen und schon einigermaßen warmen März, aber meine Mutter erlaubte uns nicht, Knietrümpfe anzuziehen. Ich schämte mich sogar wegen meiner Strumpfhose, weil einiger meiner Freundinnen schon Kniestrümpfe anhatten. Es war damals so, wer als erste Kniestrümpfe anhatte, wurden von den anderen bewundert und beneidet. Endlich rückte die Ostertage näher, aber das Wetter wurde immer schlechter, am Karsamstag fiel sogar etwas Schnee. Am Nachmittag spielte ich bei meiner Freundin, die auch jetzt noch Kniestrümpfe anhatte und obwohl es draußen eiskalt war, hätte ich gerne mit ihr getauscht. Am Abend legte Mama wie immer unsere Kleidung für den nächsten Tag raus. Und weil Ostern vor der Tür stand lagen da plötzlich auch weiße Kniestrümpfe, womit ich aufgrund des kalten Wetters nicht gerechnet hatte. Ich war glücklich. Am nächsten Morgen schaute ich aus dem Fenster, es war immer noch alles weiß, ein Wetter wie Weihnachten dachte ich. Trotzdem zog ich gerne die Kniestrümpfe an. Nach einem schnellen Frühstück mussten wir wie jeden Sonntag zu Fuß zur Kirche. Ich bekam nun allerdings doch leichte Bedenken. Sofort spürte ich wie der kalte Wind um meine unbestrumpften Beine pfiff. Wir mussten ca eine 1/4 Stunde gehen, da kühlten meine Beine schon ziemlich aus. Auch in der Kikrche war es kalt. Nachdem Gottesdienst standen meine Eltern noch lange mit einigen Bekannten vor der Kirche. Gott sei dank waren auch einige Kinder aus meiner Klasse da. Ihnen konnte ich mich nun in Kniestrümpfe präsentieren. Die meisten hatten noch Struumpfhosen an und ich hoffte heimlich, dass sie mich nun beneideten. Natürlich ließ ich mir nicht anmerken, wie kalt mir in Wirklichkeit war. Auf dem Rückweg ging eine unserer Nachbarn mit uns. Sie war schon etwas älter und lebte in einer kleinen Dachgeschosswohnung uns gegenüber. Sie fragte meine Schwester und mich direkt: „Ist euch nicht kalt, eure Beine sehen ganz verfroren aus“. Natürlich sagten wir: „Nein, es ist gar nicht kalt“. Schießlich mussten wir vermeinden, dass Mama es sich anders überlegt und uns wieder in Strumpfhosen steckt.

    • Danke für diese Geschichten aus alten Zeiten, Renate. Ja, die Eltern hatten „früher“ ihre Vorstellungen, was die Bekleidung (und auch andere Dinge) ihrer Sprößlinge anging. Heute sind Kinder weitgehend frei, was ihr Outfit (und viele andere Dinge) betrifft … Ob es immer gut ist, so viel Freiheit zu genießen, ist eine andere Frage.

  3. Jetzt habe wir wieder seit Tagen das typische Märzwetter: Morgens eiskalt, mittags verhalten warm mit Sonnenschein, aber auch nur wenige Grad über null. Als ziehe ich mich schön war an, auch wenn es in der direkten Sonne schon mal etwas wärmer ist. Anfang der 60er Jahre begann meine Schulaufbahn und da sorgte so ein Wetter im März für Aufregung. Meine Freundin durfte nämlich schon Kniestrümpfe anziehen, was mich vor Neid erblassen ließ. Es mussten viele Tränen fließen, bis sich meine Mutter erweichen ließ. Aber nach zwei Tagen hatte ich sie weichgeklopft oder besser gesagt weichgeweint. Sie gab mit dem Hinweis nach, dass ich mich ja nicht beklagen sollte, wenn es mir zu kalt wird, ich sei ja selber schuld. Außerdem musste ich eine sogenannte Überhose über meinen Schlüpfer anziehen, was mir irgendwie unangenehm war, aber ich hatte ja keine Alternative. Es war dann tatsächlich noch seh kalt, schließich waren morgens die Wiesen noch oft weiß, machmal fielen sogar noch ein paar weiße Flocken und mein Schulweg war immerhin fast zwei Kilometer lang. Trortzdem habe ich in den Jahren danach immer ab Anfang März Kniestrümpfe angezogen

    • Das ist eine nette Geschichte, vielen Dank, Gitte. Ich erinnere mich an die kalten Winter in meiner Kindheit. An Fasching / Fastnacht war es oft so kalt, dass ich einen Wintermantel über mein von der Oma geschneidertes Kostüm anziehen musste. Schrecklich! 😉

  4. Wir Deutschen waren auch mal weniger kälteempfindlich. Als Mädchen noch keine Hosen anziehen durften, mussten sie im Winter die verhassten Strumpfhosen (er)tragen. Zu Ostern durften wir endlich zu den Kniestrümpfen wechseln, ganz unabhängig davon, wie kalt oder warm es war. Ich habe mich immer auf die Kniestrümpfe gefreut und konnte meine Mutter überreden, sie, als ich ungefähr zehn Jahre alt war, auch schon Anfang März zu tragen. Die Kälte biss an meinen dünnen Beinen, aber das gab ich niemals zu. Es gibt noch ein Foto: Schnee liegt noch auf den Bäumen, ich stehe davor bekleidet mit Mütze, Schal, Mantel, Handschuhen und Kniestrümpfen. Gott sei dank ist es eine schwarz-weiß Aufnahme, so sieht man nicht, dass meine Beine blaugefroren waren.

    • Ja, das waren noch Zeiten. Daran kann ich mich auch noch erinnern.

    • Das waren noch Zeiten, als uns Mädels verboten wurde, Hosen zu tragen. Zun den kurzen Röcken „folterte“ man uns im Winter mit kratzenden Strumpfhosen. Also kämpften wir darum, möglichst Kniestrümpfe zu tragen. Als ich so acht oder neun Jahre alt war, gab meine Mutter den Kampf auf: “ Wenn du lieber frieren willst…“. Also ich habe gefroren, im Frühjahr und im Herbst. Manchmal war unser Rasen noch weiß vom Morgentau, aber ich ging in Kniestrümpfen. Ich kann mich erinnern: Es war März, der Winter kam noch einmal zurück, es hatte über Nacht heftig geschneit. Ich stand an der Bushaltestelle und wartete auf den Schulbus, der sich erheblich verspätete. Meine Beine wurde so kalt, dass ich sie am Ende kaum noch spürte.

      • Ja, Martina, an solche Zeiten kann ich mich auch noch erinnern. Ich wollte nie ein Unterhemd tragen, fand sie „doof“, und kurze Lederblousons waren Mode. Ich fror dann immer am Rücken. Meine Mutter sagte immer: „Du wirst später noch an mich denken…“. Oh ja, Unterhemden sind gar nicht so doof…

  5. Herrlich! Ich dachte immer, Französinnen sind gegen die Kälte unempfindlich. Gut zu wissen, dass dem nicht so ist. Auch wenn ich die Damen, die chick gekleidet durch den Winter stapfen und der Kälte trotzen, bewundere, werde ich weiter schön dick eingemummelt durch die Stadt laufen.
    Die japanischen Kinder tragen übrigens im Winter kurze Hosen oder Röcke – ohne Strumpfhosen darunter. Soll abhärten. Samurai spirit eben.

    • Man tut halt so, als würde einem die Kälte nichts ausmachen, denn wer „très chic“ sein will, muss halt leiden. Ich ziehe es trotz meiner stark einflussnehmenden franz. Gene ebenfalls vor, es den deutschen Frauen nachzumachen: dicke Winterjacke, dicke warme Schuhe und Mütze – ich pfeif‘ auf die Frisur.
      Oh, die armen japanischen Kinder… Das ist ja noch schlimmer als in England: Ab 1. April (oder war es März?) ist dort Frühling, da werden die kurzen Hosen rausgeholt.

  6. Jetzt heißt es: Vigilance contre le froid!! Wobei wir schon wachsam sein sollen gegen Hitzewellen, Piraten (plan vigipirate: nein – eigentlich sind damit Terroristen gemeint), und jetzt kommt die Kälte auch noch dazu!
    Wir im Südwesten pfeifen auf Winterreifen, und wenn mal 3 Flöckchen am Himmel erscheinen, bleiben diejenigen, die es sich erlauben können, einfach zuhause! Bei Schneegefahr oder Glätte wird am Vorabend der Schultransport abgesagt, wir kriegen sozusagen „Kältefrei“.
    Vielen Dank für deinen Artikel, Giselle!

    • Ja, Vera, Winterreifen sind auch so ein Thema. In Deutschland gibt es ja die Winterreifenpflicht. Schön fand ich im letzten Jahr einen Bericht auf France Info, der den Zuhörern ernsthaft erklärte, sie mögen doch, wenn sie feststellten, dass sie in 10 Minuten nur wenige Meter mit ihrem Auto auf zugeschneiter Straße vorangekommen sind, doch lieber den Wagen abstellen und öffentliche Verkehrsmittel nehmen. 😉 Viele Grüße, Giselle

      • Hm, das ist ein wirklich praktischer Tipp :). Allerdings, wer kauft sich hier schon Winterreifen? Mein Nachbar ist mal mit total abgefahrenen Reifen erwischt worden und bekam einen saftigen Strafzettel verpasst. Er hat die Polizisten dann zu sich eingeladen, um zu beweisen, dass er ja schon 2 neue Reifen besitzt, allerdings als Stütze für die Pressspanplatte mit Tischtuch (sein Wohnzimmertisch). Die Ordnungshüter waren nicht überzeugt, dass er die Reifen tatsächlich schon montieren würde. Sie kennen ihre Pappenheimer, denn was würde Francis ohne Wohnzimmertisch machen?
        Die Franzosen sind und bleiben einfach liebenswerte „débrouillards“. 🙂
        Eines Tages muss ich mal ein Blog starten über Francis, dessen Spitzname übrigens „le baron“ ist.

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