Alles easy – oder was?

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Alles easy – oder was?

Übersetzen ist doch total einfach – oder?

Es kann doch gar nicht so schwer sein, einen Text zu übersetzen – oder? Steht doch alles im Wörterbuch … Erklärung tut not.

Das bisschen Grammatik, das kann man doch lernen. Und die Fachbegriffe – ach, die stehen doch im Wörterbuch. Und dann gibt’s ja heute noch das Internet. Also kann es doch gar nicht so schwer sein, einen Text zu übersetzen – oder? Das meinen zumindest die meisten Menschen. Erklärung tut not.

Sie brauchen eine Übersetzung? Gut, ich bin Profi-Übersetzerin und freue mich.
Ach so, Sie kennen da jemanden, der jemanden kennt, dessen Freundin aus dem Land kommt. Die ist ohnehin auf Jobsuche, hat also Zeit und freut sich ganz bestimmt, ein paar Euro zu verdienen.
Na denn, ich wünsche Ihnen viel Glück. Vielleicht hören wir uns bald wieder.
Warum? Nun, es wäre nicht das erste Mal, dass mich jemand um eine Überprüfung bittet, weil ihm in der Übersetzung etwas seltsam vorkommt oder er von einem Kunden darauf hingewiesen wurde, dass da etwas nicht stimmt. Peinlich für Sie, gut für uns – die Profi-Übersetzer.

Aus welchen Gründen sollten Sie einen professionellen Übersetzer heranziehen?
Ganz einfach, weil Sie auch nicht zum Friseur gehen, wenn Sie Zahnschmerzen haben, oder zum Bäcker, um einen Rock kürzen zu lassen. Und wenn Sie nach Mallorca in den Urlaub fliegen, möchten Sie auch nicht, dass ein „ungelernter Pilot“ im Cockpit sitzt.

Übersetzer ist ein Beruf, bei dem die perfekte Kenntnis der jeweiligen Sprachen (Ausgangs- UND Zielsprache), entsprechendes Sprachgefühl, ein breit gefächertes Allgemein- und Fachwissen sowie ein gewisses Talent dazu gehören. Übersetzen kann nicht improvisiert werden. Da helfen auch keine Wörterbücher, denn – wie der Name es schon sagt: die enthalten nur Wörter.

Ein ganz einfaches Beispiel: In der deutschen Sprache gibt es eine SchuhSOHLE (le talon de chaussure), aber auch eine Fußsohle (la plante du pied). Und die Wirtschaftskrise hat die Talsohle überschritten (la récession a franchi le creux de la vague). Auf Französisch drei völlig verschiedene Wörter.

Ich möchte hier zeigen, was mit einem Text alles geschehen kann. Lehnen Sie sich zurück, sehen Sie sich das einfach an und urteilen Sie selbst. Es sind erneut Beispiele aus meiner Proofreading-Tätigkeit (Fassung 2 jeweils gestern ermittelt und eingefügt).

1 = Zu übersetzender Originaltext
2 = Ergebnis bei Nutzung eines automatischen Übersetzungssystems (SYSTRANet)
3 = Fassung eines nicht professionellen Übersetzers (Text, den ich zur Korrektur vorgelegt bekam)
4 = Fassung eines professionellen Übersetzer

Zunächst ein Beispiel aus dem Bereich der Allgemeinsprache:

  1. La confirmation de commande n’est liée à aucune forme réglementée. Certaines entreprises retournent au client, souvent par fax, simplement une copie de la commande, complétée d’une signature; d’autres rédigent un courrier séparé confirmant expressément la commande passée.
  2. Die Auftragsbestätigung steht mit keiner geregelten Form in Zusammenhang. Bestimmte Unternehmen drehen am Kunden oft durch Fax einfach eine Kopie des Auftrags vervollständigt einer Unterschrift um; andere verfassen eine getrennte Post, die ausdrücklich den vergangenen Auftrag bestätigt.
  3. Es gibt keine vorgeschriebene Form für eine Auftragsbestätigung. Bestimmte Unternehmen schicken dem Kunden, oft per Fax, einfach eine mit einer Unterschrift ergänzten Kopie des Auftrags zurück; andere verfassen ein separates Schreiben, das den erteilten Auftrag ausdrücklich bestätigt.
  4. Die Auftragsbestätigung unterliegt keiner vorgeschriebenen Form. Manche Unternehmen senden einfach eine unterschriebene Kopie des Auftrags an den Kunden zurück, oft per Fax. Andere setzen ein eigenes Schreiben zur ausdrücklichen Bestätigung des Auftrags auf.

Muss das kommentiert werden? Ich denke: nein.
Und weil es so einleuchtend ist, hier ein Beispiel aus einem aus meiner Sicht leichten technischen Text (Einleitung zu einem Fachbuch über Kunststoffe).

  1. Il est certaines caractéristiques de rigidité et de résistance à l’élongation auxquels les plastiques ne pourront jamais prétendre (à moins de recourir à des composites hors de prix). Les métaux restent là insubstituables. Quand l’acier est jugé trop lourd, des alliages légers entrent en lice.
  2. Er ist einig von Starrheit und von Widerstand gegen die Verlängerung charakteristisch, auf die Plastiken nie Anspruch haben können (außer auf Kompositordnungen außerhalb der Preise zurückzugreifen). Die Metalle bleiben dort insubstituables. Wenn den Stahl für zu schwer gehalten wird, gehen Leichtmetallegierungen in Barriere hinein.
  3. Es gibt einige Steifheits- und Dehnungswiderstandscharakteristika, die die Kunststoffe nicht für sich in Anspruch nehmen können (außer wenn man auf Verbundmaterialien zurückgreift, die extrem teuer sind). Die Metalle bleiben da unersetzlich. Wenn man der Meinung ist, dass Stahl zu schwer ist, kommen leichte Legierungen ins Spiel.
  4. Bestimmte Merkmale in Bezug auf Steifigkeit und Dehnung werden für Kunststoffe stets unerreichbar sein (außer bei Verwendung sehr teurer Verbundwerkstoffe). In diesem Fall bleiben Metalle die einzige Lösung. Wenn Stahl wegen seines zu hohen Gewichts als Lösung nicht in Frage kommt, sind Leichtmetalllegierungen gefragt.

Quod erat demonstrandum: Wenn Sie eine gute Übersetzung benötigen, gehen Sie bitte zum qualifizierten Profi-Übersetzer. So wie Sie zum Optiker gehen, wenn Sie eine Brille brauchen.

 

  1. Sollte es im zweiten Beispiel in der Klammer nicht richtiger
    …bei Verwendung sehr teurer Verbundwerkstoffe
    heißen? Ich stoßee immer wieder auf diese umgangssprachliche Vermeidung des Genitivs. Oder ist das inzwischen zulässig?

    • Ja, ich denke, dass die Formulierung mit dem Genitiv schöner wäre. Zwiebelfisch alias Bastian Sick sagt und schreibt ja nicht umsonst „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ oder so ähnlich ;-). Danke und schöne Grüße.

  2. Schöner und richtiger Artikel. Wobei ich gestehen muss, dass ich die Lösung des „nicht professionellen Übersetzers“ im ersten Beispiel noch nicht mal völlig daneben finde – da habe ich schon viel Schlimmeres gesehen, auch von „Profis“. (Übrigens der Grund, warum ich grundsätzlich keine Korrekturen von Texten mir unbekannter KollegInnen übernehme: die grauen Haare.)

    • Vielen Dank. Ja, natürlich, es gibt Schlimmeres. Wie immer im Leben… 😉 Der Grammatikfehler ist allerdings schon gravierend.

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