Mit Einschränkungen …
Die französische Küche, einst ein Aushängeschild der Kultur des Landes, hat ihren Glanz verloren. So oder so ähnlich klagen nicht nur große Küchenchefs dies und jenseits des Rheins – nein, auch namhafte Gastronomiekritiker urteilen mit bisweilen harten Worten über eine der liebsten Beschäftigungen der Franzosen. Gedanken zum Thema gutes Essen…
Fastfood-Restaurants auf den Pariser Champs Elysées? Mon Dieu ! Da geht sie hin, die cuisine française… Aber warum sollten (junge) Franzosen und Touristen auf knatschige Brötchen mit Hackeinlage und Zwiebeln in der Metropole an der Seine und in anderen Städten Frankreichs verzichten? Wem die teure, kalorien- und antibiotikumreiche Kost für Zahnlose schmeckt – bitte schön! Bon appétit !
Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es sie noch, die gute französische Küche. Und man muss nicht unbedingt hochpreisige Adressen aufsuchen, um gut zu essen. So manches petit bistrot du coin, in dem die französischen Arbeitnehmer in ihrer ausgedehnten Mittagspause – in der Regel von 12 bis 14 Uhr – das plat du jour mit einem vin rouge und anschließendem petit noir genießen, zaubert durchaus Leckeres auf den Tisch.
Wenn es um ihre Kochkunst geht, vergessen selbst Franzosen mit der besten Kinderstube Bescheidenheit und Demut. Zum Glück war es der Baske Juan Mari Arzak, der bei der Eröffnung der diesjährigen San Sebastian Gastronomika sagte: „La France est la mère de la gastronomie moderne, c’est elle qui a enseigné au monde l’art de cuisiner,“ – sinngemäß: „Frankreich ist das Mutterland der modernen Gastronomie, Frankreich hat der ganzen Welt die Kunst des Kochens beigebracht“. Stolz auf mein Vaterland – im wahrsten Sinne des Wortes – sage ich dazu: genau! 😉
Vor einigen Jahren ist in Frankreich der Begriff Bistronomie erschaffen worden: Als Bistro (in Französisch le bistrot mit t) und Gastronomie eine ungewöhnliche Ehe eingingen, wurden in einfachen und gemütlichen Gaststätten herrlich aufgeschmuckte Gerichte auf dem Niveau der Spitzengastronomie serviert, zubereitet mit erlesenen Zutaten, das Ganze zu erschwinglichen Preisen. Ein neuer Trend war ins Leben gerufen worden.
Als Pionier der Bistronomie gilt Yves Camdeborde, der zudem gegen die Globalisierung der Kochkunst und der Geschmäcker kämpft. Ist es nicht so, dass heute überall in Europa mehr oder weniger die „gleiche Suppe“ serviert wird? Ob in Italien, Deutschland, Spanien oder England, wer Gast in einem sog. französischen Restaurant ist, erwartet in der Regel ein tournedos béarnaise oder eine dorade à la provençale, die bitteschön überall genau so munden soll, wie man es kennt oder zu kennen glaubt. So wie die Pizza beim Italiener in Gelsenkirchen, Dunkerque, Potsdam oder Toulouse gleich schmecken „muss“, damit der Weltenbummler nicht enttäuscht ist, wobei das Procedere darin gipfelt, dass der Ballermann aufsuchende Deutsche sein Schnitzel auf Mallorca wie zu Hause serviert bekommt: mit Pommes und Mayo. Mahlzeit!
Dabei sind gerade die so unterschiedlichen regionalen und landesspezifischen Küchenrichtungen das i-Tüpfelchen der Kochkunst. Spätzle, Kartoffelknödel, Maultaschen und Dampfnudeln, Streuselkuchen und Mohnstriezel sind für mich der Inbegriff meiner deutschen Heimat, des Vaterlands meiner Mutter. Kein Mensch erwartet, diese Gerichte in Frankreich serviert zu bekommen. Weshalb soll dann umgekehrt ein Châteaubriand überall rund um den Globus auf die gleiche Art und Weise zubereitet auf den Teller gezaubert werden? Das muss meines Erachtens nicht sein.
Zugegeben: Wenn ich an die traumhaften Gaumenfreuden denke, die der Vetter meines Vaters, ein maître cuisinier de France, der lange Jahre bis zum Eintritt ins Rentenalter und Verkauf seines Restaurants mit einem Michelin Stern ausgezeichnet war, im L’Espérance in Pouilly-sur-Loire komponierte, bin ich heute davon überzeugt, dass ich die Liebe zur französischen Küche auch von ihm über drei Ecken „geerbt“ habe. Ebenso gerne lasse ich mir aber auch Rotkohl und Semmelknödel mit einer feinen Thüringer Bratwurst schmecken. Meine Landsleute in Frankreich wissen gar nicht, was ihnen da entgeht. Denn der „gemeine“ Franzose isst in der Regel Rotkraut lediglich als Salat, also als Rohkost. Meine Versuche, ihnen den gekochten Rotkohl mit den 7 Gewürzen, wie meine deutsche Oma es mir beigebracht hat, näher zu bringen, schlugen allesamt fehl. Kartoffelknödel verschmähen sie ebenfalls.
Die besten Maultaschen meines Lebens habe ich übrigens in der Köhlerstube, einem der Restaurants, die zur inzwischen leider einem verheerenden Brand zum Opfer gefallenen Traube Tonbach gehören, genießen dürfen – nachmittags gegen vier, weil mir nach einer langen Autofahrt danach war, hieß es auf meine Frage, ob dies möglich sei und ich auch meinen Hund mit ins Restaurant nehmen dürfe: „Aber selbstverständlich!“ Die Maultaschen waren ein Traum, der dazu gereichte Kartoffelsalat ein Gedicht, und mein Terrier bekam ohne Aufforderung meinerseits eine Schüssel Wasser gebracht. Ich aß „nur“ dieses kleine Gericht, war lediglich auf der Durchreise und fühlte mich dort wie eine königliche Freundin, der man jeden Wunsch von den Lippen ablesen will, ohne dass es unangenehm war. Wunderbar. Und das Ganze zu einem durchaus „normalen“ Preis.
(Kleine Anmerkung am Rande für alle „notorischen Miesmuscheldenker“: nein, das ist keine bezahlte Werbung.)