Die ersten Tage im neuen Job sind Herausforderung und zugleich Chance. Sie stellen damit entscheidende Weichen.
Als ehemalige Mitarbeiterin in der Personalabteilung eines großen Unternehmens werde ich von Kollegen (m/w/x)* oft gefragt, wie sie sich in den ersten Tagen in der neuen Firma am besten einführen. Sie waren vielleicht viele Jahre als Übersetzer selbständig und haben sich aus für Sie guten Gründen entschlossen, wieder oder auch erstmals eine Festanstellung zu suchen. Möglicherweise ist es auch für Sie überhaupt der allererste Einstieg in den Beruf.
Ganz egal, ob Sie als Sprachmittler oder in einem anderen Beruf tätig sind: Die ersten Tage im neuen festen Job sind nicht nur eine durchaus anstrengende Herausforderung, sondern eine echte Chance. Denn damit stellen Sie ganz entscheidende Weichen.
Politikern werden in der Regel die berühmten 100 Tage Schonfrist eingeräumt. Bei den meisten anderen Menschen beginnt der Ernst des Lebens bereits mit der ersten Minute. Wer jedoch mit der Vorstellung in die neue Aufgabe geht, es ginge schlichtweg um ein Survival Training, hat schon ein er(n)stes Problem. Wer dagegen bisher als Übersetzer selbständig war, im stillen Kämmerlein seine Arbeit gewissenhaft und zuverlässig verrichtete, sein Dasein jedoch ziemlich abgeschnitten von der Zivilisation fristete und stets darauf bedacht war, beruflich bedingte Begegnungen mit der Spezies „Kunde“ – insbesondere am Telefon – zu meiden, der hat ein noch ernsteres Problem.
Positives Denken
Freuen Sie sich auf den neuen Job und gehen Sie positiv an die Sache heran. Bereiten Sie sich schon einige Tage vorher auf den ersten Tag vor: Kleidung und Schuhe, Frisur, Fingernägel, Schmuck usw. – was für das Vorstellungsgespräch gilt, ist auch hier gültig. Gegebenenfalls wurde Ihnen eine Empfehlung für den geltenden Dresscode mitgegeben.
Übrigens sind das auch Fragen, die Sie bei der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags klären können. Schlafen Sie sich in den Tagen vor Ihrem Stellenantritt gut aus, gehen Sie nochmals Ihre Unterlagen über den neuen Arbeitgeber durch, fokussieren Sie Ihre Gedanken auf die neue Herausforderung. Und: Machen Sie sich nicht verrückt. Es wird erstens überall nur mit Wasser gekocht, und zweitens menschelt es überall.
Alle Sinne auf Empfang
Schalten Sie schon vor dem – buchstäblich – ersten Schritt in den neuen Betrieb alle Sinne auf Empfang. Jedes Unternehmen, sei es noch so klein, ist ein soziales Gefüge, in dem jeder eine Rolle wahrnimmt – damit ist nicht nur die rein aufgabenbezogene Rolle gemeint. Auch wenn sich das bestehende Team auf Sie freut, weil Sie die lang erhoffte Verstärkung sind, bleiben Sie zunächst ein „Fremdling“.
Solange Sie sich im betrieblichen Geflecht nicht auskennen, bleiben Sie auf Beobachtungsposten und nehmen alle Informationen – die verbalen und vor allem auch die non-verbalen – auf. Und selbstverständlich gehen Sie freundlich auf jeden zu und grüßen ausnahmslos jeden.
Mängel beim Arbeitgeber nutzen
Wenn der Chef des Betriebs oder der Personalleiter am Morgen verdutzt feststellt, dass „heute ja der/die Neue anfängt“, dann ist etwas schief gelaufen. Sollten Sie als Neuling den Eindruck haben, dass dies der Fall ist, lassen Sie sich nichts anmerken und machen Sie auf keinen Fall irgendwelche Bemerkungen, die auch nur annähernd als Vorwurf gewertet werden könnten.
Arbeitgeber sollten sich auf den neuen Mitarbeiter vorbereiten und ihn in geeigneter Form in seine Aufgabe und das bestehende Team einführen. Doch manchmal ergeben sich zwischen Unterzeichnung des Arbeitsvertrags und Jobantritt Termine, so dass der Neue tatsächlich „ungelegen“ kommt. Nutzen Sie die Chance und bieten Sie unkompliziert Ihre Hilfe an: „Da komme ich ja gerade recht… Wo kann ich behilflich sein?“, ist dann die willkommene Reaktion.
Der allererste Tag
Achten Sie darauf, wie Sie sich einführen: Zeigen Sie sich offen und geben Sie die eine oder andere Information über sich preis, wenn Sie sich vorstellen. Zum Beispiel: „Hallo, mein Name ist … Ich komme aus …“ – natürlich ohne gleich Ihr ganzes Leben aufzurollen und zu viel Privates zu erzählen. Achten Sie in den allerersten Kontakten darauf, ob sich die neuen Kollegen mit Vor- und Nachnamen oder nur mit dem Vornamen vorstellen und ob man Ihnen gleich das „Du“ anbietet. Wie Sie darauf reagieren, ist Ihre Entscheidung. Kleiner Hinweis: Es ist wesentlich schwieriger, den Chef, den man duzt, um eine Gehaltserhöhung zu bitten. 😉
Im Umkehrschluss sollten Sie jedoch nicht verschüchtert, sondern mit gesundem Selbstbewusstsein auf Ihr neues Umfeld zugehen. Stellen Sie Fragen, notieren Sie sich die Namen und Zuständigkeiten der Personen, die Ihnen vorgestellt werden, und alles Wichtige, was Sie an diesem ersten Tag vermittelt bekommen. Niemand erwartet, dass Sie sich alles merken.
Behutsam herantasten
Auch in der Folgezeit in Ihrem neuen Job sollten Sie in keinem Fall überheblich auftreten und den neuen Kollegen mit erhobenem Zeigefinger unter die Nase reiben, was diese alles falsch machen und Sie besser im Griff haben. Das kommt ebenso wenig gut an wie der wiederholte Hinweis, dies oder jenes in Ihrem bisherigen Betrieb sei bisher immer „anders“ gehandhabt worden. Als Sprachmittler kennen wir unser aller Drang, Tipp-, Rechtschreib-, Grammatik- und sonstige Fehler korrigieren zu „müssen“. Versuchen Sie, sich zu beherrschen, insbesondere wenn es nicht um Ihre Muttersprache geht – auch wenn Sie die Fremdsprache sehr gut sprechen, bleibt in den allermeisten Fällen ein „Restrisiko“ – dann den anderen korrigieren zu wollen, das kommt nicht gut an.
Erkundigen Sie sich nicht gleich in den ersten Tagen und Wochen nach der Urlaubs- und Überstundenregelung. In den Pausen sollten Sie sich bei Klatsch- und Tratschgesprächen völlig zurückhalten, allerdings auch nicht die „stumme Jule“ spielen und teilnahmslos beim gemeinsamen Mittagessen sitzen. Werfen Sie ein unverfängliches Thema auf: Wer kennt den neuesten Film mit dem Schauspieler XY? Welche Musikrichtung hören die neuen Kollegen gerne?
Probezeit meistern
So wichtig die internen Strukturen und Netzwerke sind: Ihr Job ist das Ziel. Suchen Sie das regelmäßige Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten und besprechen Sie die Inhalte Ihrer Aufgaben ausführlich. Scheuen Sie sich nicht, konkrete Rückfragen zu stellen. Laufen Sie aber nicht wegen jeder Kleinigkeit zu ihm. Vereinbaren Sie frühzeitig Termine für eine Zwischenbilanz zum Beispiel im 4-Wochen-Turnus. Bereiten Sie sich gründlich auf diese Gespräche vor.
Holen Sie bei Ihrem Chef, aber auch bei Ihren direkten Kollegen Feedback ein. Nehmen Sie Kritik ernst und souverän auf – und nicht etwa wie ein beleidigtes „Opferlamm“. Lassen Sie sich genau erklären, was falsch war, und lernen Sie daraus. Absolute „No-Gos“ sind das Abblocken von Kritik und – noch schlimmer – jemand anderen für einen Fehler, den Sie begangen haben, verantwortlich zu machen.
Die goldene Mitte
Werden Sie nach Ihrer Einschätzung des Arbeitsumfelds gefragt, ist Vorsicht geboten. Üben Sie keine direkte Kritik, indem Sie den Finger in eine Wunde stecken. Umschreiben Sie das vermeintliche „Problemfeld“, indem Sie beispielsweise sagen: „Ich wusste nicht, dass man das auch so machen kann“ oder „In meinem bisherigen Betrieb habe ich diesen Ablauf anders kennen gelernt…“.
Bringen Sie Anregungen erst dann an, wenn Sie alle Rahmenbedingungen analysiert und durchdacht haben – und dann ganz vorsichtig, ohne als „Besserwisser“ aufzutreten. So kommt ein Verbesserungsvorschlag, den Sie als Frage verpacken, immer besser an. Beispiele: „Wäre es auch möglich, das auf diese Weise zu lösen?“ oder „Könnte man den Ablauf auch mit dem Vorgang beginnen, so dass man hier etwas Zeit sparen würde?“. Zeigen Sie sich einsatzbereit und lernwillig, ohne übereifrig zu werden: Der goldene Mittelweg ist das Ziel.
Soft Skills als Schmieröl
Neben der fachlichen Qualifikation, die Ihrer Einstellung zugrunde lag, sind sog. Soft Skills, also die „weichen Kompetenzen“, ganz wichtig. Sich schnell integrieren, ohne als „Störfaktor“ aufzufallen, sich teamfähig zeigen, Vertrauen durch Verlässlichkeit und Aufrichtigkeit wecken, Verbindlichkeit ohne Aufdringlichkeit – das und vieles mehr ist gerade in den ersten Wochen und Monaten das A und O.
In dem Zusammenhang weise ich gerne auf die 3-teilige Rüsterweg-Reihe zum Thema Soft Skills hin:
Teil 1: Das unverzichtbare Plus
Teil 2: Es gibt viel zu tun
Teil 3: Übersetzer und Soft Skills
Kleine Meinungsverschiedenheiten mit Kollegen sollten offen und ruhig geklärt werden. Nichts ist schlimmer als schwebende Konflikte, die nur vordergründig ignoriert werden und doch die Arbeit belasten. Zur Not einen Kollegen als Moderator hinzuziehen. Denn eines ist klar: Wer mit seinen Kollegen und Vorgesetzen gut auskommt, macht sich das Leben leichter. Und so werden auch die ersten Wochen und Monate nicht nur erfolgreich, sondern auch zu einer positiven und aufschlussreichen Erfahrung, an die Sie sich auch noch später mit Freude und Stolz erinnern.
Mit Maß und Ziel
- Pünktlich, aber nicht überpünktlich: Es macht wenig Sinn, schon eine Stunde vor dem regulären Arbeitsbeginn zu erscheinen. Unpassend ist auch das ständige „Auf-die-Uhr-sehen“, wenn der Feierabend naht.
- Pflichtbewusst, aber nicht übereifrig: Zeigen Sie Einsatz, ohne Ihre Kollegen ständig damit zu ärgern, dass Sie „kein Problem damit haben, auch zwei Stunden länger zu arbeiten“.
- Aufrichtig und offen, aber stets wohl überlegt: Nicht gedankenlos herausplappern, was Ihnen an Ideen und Kommentaren durch den Kopf geht.
- Konstruktiv, aber kein Besserwisser: Konstruktive Anregungen mit Vorsicht und erst nach eingehender Prüfung der Sachlage vorbringen, geschickterweise als Frage. Beispiel: „Was passiert, wenn wir das so machen?“
- Selbstbewusst und souverän, aber nicht überheblich
- Zuversichtlich statt ängstlich: Wähnen Sie nicht überall Stolperfallen und Katastrophen. Das hemmt, macht unsicher und führt zu Fehlern.
- Positiv statt schwarzmalerisch: Sehen Sie die Probezeit als große Chance und gehen Sie mit Elan an die Sache heran.
- Freundlich und herzlich, jedoch nicht anbiedernd: Eine gewisse Distanz ist stets ratsam, insbesondere zu Vorgesetzten.
In diesem Beitrag deckt die genderlose Form (z.B. Übersetzer, Sprachmittler, Freiberufler, Unternehmer) sowohl die männliche und die weibliche Form als auch das dritte Geschlecht ab – dies im Sinne einer besseren Lesbarkeit.