Kult, Kürbis und Kommerz: Halloween

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Kult, Kürbis und Kommerz: Halloween

Der Kult um Halloween

Es klingelt. Ich öffne die Tür. Da stehen sie, die Gruselgestalten und Bösewichter. Ein Albtraum. Jetzt fangen sie auch noch an zu sprechen: „Wir sind die kleinen Geister, wir fressen gerne Kleister, und wenn Sie uns nichts geben, dann bleiben wir hier kleben!“ Nein, das muss nicht sein.

In den letzten Jahren habe ich mich immer wieder gefragt, was wir in Europa mit Halloween zu tun haben, und zog meine amerikanischen Freunde damit auf, dass sie uns nicht nur den Muttertag und – über Umwege – den Valentinstag eingebracht haben. Doch dann wurde ich eines Besseren belehrt…

Das Brauchtum war ursprünglich vor allem im katholischen Irland verbreitet und wurde durch die irischen Einwanderer auf den nordamerikanischen Kontinent eingeführt. Wer mehr über die Mutmaßungen eines keltischen Ursprungs erfahren will, kann sich auf Wikipedia schlau machen.

Dort wird allerdings auch die These aufgestellt, Halloween sei in den 1990er Jahren über Frankreich nach Europa gekommen. Tatsache ist, dass erst seit 1997 ein Halloween-Treiben in den französischen Medien belegt ist. Viele Franzosen sehen darin eine Marketing-Maßnahme, die Halloween aus den USA (zurück) nach Europa brachte, um im flauen Oktober den Absatz u.a. von Süßigkeiten (les sucreries) anzukurbeln.

Halloween hat sich in Frankreich nie so richtig durchsetzen können. Selbstverständlich gibt es auch Halloween-Partys, auch ziehen als Gespenster und Monster verkleidete Kinder von Haus zu Haus. In Lothringen wird die Rommelbootzennaat (nuit des betteraves grimaçantes oder Zuckerrüberfratzennacht), die nachweislich keltischen Ursprung hat, gefeiert. Doch der amerikanische Halloween-Kult hält sich in Frankreich insgesamt in Grenzen und ist sehr viel harmloser als in den USA. Zumindest die Hersteller von Bonbons und anderen süßen Leckereien (les friandises) wie Pralinen (les pralinés, les chocolats) können sich in Frankreich über den Erfolg der Aktion freuen: Laut Le Figaro steigt der Absatz im Oktober um gut 30%.

In Frankreich gedenkt man seiner Toten eher im Stillen, auf dem Friedhof (le cimetière). Die katholische Kirche hat auch regelmäßig offen gegen die Halloween-Praxis protestiert. Und seit etwa 2005 nimmt der Halloween-Kult in Frankreich deutlich ab. Das hindert die Kinder natürlich nicht daran, in den Grundschulen (école primaire) oder in der Vorschule (école maternelle) Kürbisse (la citrouille) auszuhöhlen (évider) und in der Schale teils nette, teils gruselige Fratzen (une grimace) zu schnitzen (découper).

Zurück zu meinen ungeduldigen Gespenstern an der Tür: „Trick or treat“ – so der englischsprachige Spruch – wird in Frankreich beispielsweise zu „des bonbons ou des coups“ (des coups = Schläge). Die Monster, Hexen und Gespenster fuchteln mit Spinnen (l’araignée), Ratten (le rat) und Fledermäusen (la chauve-souris) – natürlich aus Gummi, aber täuschend echt – vor meiner Nase herum und drohen, ins Haus einzudringen. Meine in weiser Voraussicht vorbereiteten Päckchen, prall mit allerlei Süßem gefüllt, überreiche ich mit gespielter Angst. Die Geister rufen danke (tatsächlich) und trollen sich. Da hab‘ ich nochmal Glück gehabt…

 

Das Gruselvokabular

Monster = le monstre
Bestie = la bête
Fledermaus = la chauve-souris
Spinne = l’araignée (f)
Spinnennetz = la toile d’araignée (wird auch für das Web, also das Internet verwendet)
Skelett = le squelette
Verkleidung = le déguisement
Fratze = la grimace (faire une grimace)
Kürbis = la citrouille (wird auch als Schimpfwort, etwa „tête de citrouille“, verwendet)
Schädel = le crâne
Hexe = la sorcière
Vampir = le vampire
Gespenst = le fantôme

  1. Da wir mit unseren Kindern 4 Jahre in USA zugebracht haben, haben wir dort Halloween kennen- und lieben gelernt. Schon Tage vorher werden die Kostüme ausgesucht und angezogen, dabei ist es dort gar nicht mal immer gruselig. Comic-Helden (natürlich gibt es viele Kostüme im Disney-Store …), Prinzessinnen, Pop-Sängerinnen und Sportler bevölkern dort die Straßen. Es läuft auch alles sehr friedlich ab und gleicht einer großen Straßenparty.
    Wieder zurück in Deutschland waren unsere Kinder sehr enttäuscht über das vergleichsweise langweilige Martinssingen. So gingen wir zu Halloween in die benachbarte „Engländersiedlung“, in der die hier stationierten Soldaten und ihre Familien wohnen. Dort tobte das pralle Halloween-Leben … aber meine kleine Squaw und ihr Indianerhäuptling fielen unter all den Zombies, Frankensteins und Mumien doch sehr auf. Ein leicht angesäuselter Engländer-Vater vertrieb uns sogar aus „seiner“ Siedlung und rief, das sei ein englischer Brauch und wir sollten doch wohl „unter uns“ bleiben.
    Das ist nun 3 Jahre her und wir beobachten, dass auch in unseren kleinen Nebenstraßen hier zu Halloween öfter mal die Türglocke geht und kleine Hexchen freudestrahlend „Süßes oder Saures!“ sagen. Na klar, so schnell und lustig bekommt man sonst keine Süßigkeiten.
    Im Prinzip finde ich das eine nette Sache, zumal die Ursprünge ja wie erwähnt tatsächlich Europäisch und nicht rein amerikanisch sind.
    Nicht gut hingegen finde ich die stark zunehmende Anzahl an Jugendlichen, die Halloween als Vorwand nehmen, einfach nur Blödsinn zu machen oder zu randalieren. Da werden Häuser von Leuten, die keine Süßigkeiten zur Hand haben, mit rohen Eiern beworfen, die Autos werden mit Seife beschmiert oder es werden Böller in die Briefkästen geworfen. So etwas kann sicherlich passieren, wenn eine Tradition des einen Landes einem anderen Land ‚aufgedrückt‘ wird. Insofern kann ich verstehen, wenn viele Leute sagen: „Ach, lass mich bloß mit Halloween in Ruhe!“
    (Wobei es bei jedem Fest vorkommen kann, dass die gute Stimmung umkippt und alles ausartet: Im Karneval, bei Sportveranstaltungen und sogar auf manchen Hochzeitsfesten …) Wenn Halloween friedlich gefeiert wird und man akzeptiert, dass nicht jeder mitmachen oder Süßigkeiten geben möchte, ist es meiner Meinung nach eine lustige Sache in einer eher trüben Jahreszeit.

    • Danke, liebe Dorothee, für diese ausführliche Kommentierung. In unserem Viertel laufen die Kinder herum und verhalten sich ganz friedlich – wie ich mir halt nette Geister so vorstelle… 😉 Dass es mancherorts ausufert und Jugendliche das Fest missbrauchen, ist traurig.

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