Von Kalfaktor über kalfatern bis zum Klabautermann
Ein Kalfakter oder Kalfaktor (Plural: die Kalfakter, die Kalfaktoren) bezeichnet eine Person, die unliebsame „niedere“ Hausarbeiten zu erledigen hatte, oder auch einen Sträfling, der den zuständigen Gefängnisaufsehern bei diversen Tätigkeiten zur Hand gehen musste.
Das Wort ist erstmals im 15. Jahrhundert verzeichnet und leitet sich ab aus dem Mittellateinischen „cal(e)factor“ – calor für Hitze, facere für machen. Es bezeichnete damals in der Schule oder an der Universität den Jungen bzw. Studenten, der damit beauftragt wurde, dafür zu sorgen, dass der Ofen im Klassenraum oder Hörsaal nicht ausging: eine Art Heizer.
Dafür musste der jeweilige Junge oder Student immer wieder seinen Sitzplatz verlassen, Holz holen, den Ofen bestücken – er war also viel in Bewegung, während seine Mitschüler bzw. Kommilitonen still sitzen mussten. Es war durchaus eine begehrte Beschäftigung, mit der sich die beauftragte Person auch „Pluspunkte“ beim Lehrer oder Professor verdienen konnte. Daraus entwickelte sich die Bedeutung des Wortes hin zu „Streber“, da sich stets mehrere andienten, um dieser Aufgabe nachzukommen.
In ländlichen Regionen, insbesondere in der Landwirtschaft, hatte Kalfakter/Kalfaktor auch die Bedeutungen Aushorcher und Denunziant.
Es kann sich auch um eine Art Hausmeister handeln, der alle möglichen Tätigkeiten rund um ein Gebäude verrichtet. Heute wird das Wort Kalfaktor noch in manchen ost- und norddeutschen Regionen verwendet. Im Schweizer Strafvollzug wird derjenige, der auf seiner Station zum Beispiel für die Sauberkeit oder die Essensverteilung zuständig ist, auch Kalfaktor genannt.
In der Schüler- und Studentensprache ist der Begriff meist abwertend (wobei ich gerne in Schulen eine Umfrage machen würde, wer das Wort überhaupt kennt).
Vom Streber entwickelte sich die Bedeutung einerseits zu einer Person, die ständig in Bewegung ist, weil sie hier und da ein Schwätzchen halten will, anstatt zu arbeiten. Andererseits wurde der Kalfaktor in früheren Zeiten von den Lehrkräften auserkoren, um bei Schülern die damals noch zulässige Prügelstrafe auszuführen. Damit entstand allmählich das Verb kalfaktern mit der Bedeutung prügeln, verhauen.
So entwickelte sich dann die Bedeutung schimpfen, meckern, nörgeln, Streit suchen für das meist umgangssprachlich verwendete Verb kalfaktern.
Fachbegriff kalfatern
Daneben gibt es den Fachbegriff kalfatern (ohne K vor dem T), der im Schiffsbau das Verfugen von hölzernen Schiffswänden (auch Nähte genannt) und Schiffsplanken mit Dichtungsmasse bezeichnet. Auch hier ist das lateinische Wort calor enthalten, das sich darauf bezieht, dass die Dichtungsmasse in früheren Zeiten meist aus erhitztem Teer, Gummi oder Pech bestand. Teilweise wurden auch Stoffreste aus Leinen und Baumwolle verwendet, man sprach aber in diesem Fall auch von kalfatern.
Zum Kalfatern werden verschiedene Werkzeuge eingesetzt, so zum Beispiel den Kalfaterhammer, auch Kalfathammer, der aus Pockholz mit Eisenbeschlag besteht. Außerdem werden Kalfateisen benötigt: scharfe sog. Schöreisen zum genauen Einsetzen des Kalfats und breite Rabatteisen zum Verdichten. Jeder Bootsbauer hat seinen Satz Eisen und seinen Kalfathammer, die er behütet und pflegt. Bei einem 13 Meter langen Boot mit ca. 70 Planken (+ Stöße und Sponung) kommen beispielsweise fast 1.000 Meter, also ein Kilometer Kalfatlänge zusammen.
Interessanterweise ist das französische Pendant zunächst calfater, was sich dann zum heute noch verwendeten calfeutrer entwickelt hat. Dieses Verb bezieht sich längst nicht mehr nur auf Schiffe und Boote, sondern wird auch im Hausbau, für das Abdichten von Fenstern und sonstigen Öffnungen verwendet. Das Reflexivverb se calfeutrer bedeutet: es sich im Warmen gemütlich machen.
Vermutlich hängt auch das englische to caulk etymologisch damit zusammen, ganz sicher aber das italienische calafatare, das spanische calafatear, das katalanische calafatar sowie das portugiesische calafetar.
Übrigens heißt der Klabautermann, eine seemännische Spukgestalt, die seit dem 13. Jahrhundert zumindest als Wort herumgeistert, regional auch Kalfatermann. Während Klabautermann vom niederdeutschen klabastern, was so viel wie poltern, lärm machen bedeutet, kommt der Name Kalfatermann natürlich von kalfatern.
Der Klabautermann wird als der Gute Geist eines jeden Schiffes bezeichnet und hilft beim Bau des Schiffes, unter anderen beim Dichten des Schiffsdecks, dem sogenannten Kalfatern. Solange er an Bord ist, hat das Schiff immer gute Fahrt.
Photocredits (1) and (2): Leo Goolden, Sampson Boat Co. // Thank you for allowing me to use the photos.