Aufbau und Herstellung von Synthesekautschuk
Naturkautschuke sind Kohlenwasserstoffe, die aus der Natur gewonnen werden. Synthesekautschuke sind Kohlenwasserstoffe, die aus kleineren Molekülen (Monomeren) aufgebaut werden. Die Monomere werden aus Erdöl gewonnen bzw. aus Erdölfraktionen synthetisiert.
Die einmalige Art der Elastizität oder des Rückstellvermögens von Kautschuk bzw. Gummi kann anhand seiner Molekularstruktur folgendermaßen erklärt werden: Jedes Kautschukmolekül besteht aus einer langen Kette sich wiederholender Bausteine, die Monomere genannt werden. In kettenförmiger Anordnung mehrerer tausend Monomere stellen sie ein Polymer dar. Der Prozess, der zu diesem Makromolekül führt, wird Polymerisation genannt, in bestimmten Fällen Polyaddition bzw. Polykondensation.
Die Polymerketten sind über ihre ganze Länge geknäuelt, sodass jedes Molekül mit einer Miniaturfeder verglichen werden könnte, die mit sich selbst und mit zahllosen anderen Molekülen verflochten ist. Vor der Vulkanisation sind die Ketten nicht unmittelbar miteinander verbunden, und der größte Teil wird nur durch relativ kleine intermolekulare Kräfte zusammengehalten. Im Rohzustand „fließt“ der Kautschuk, d. h. er verformt sich, sobald er einer mechanischen Beanspruchung ausgesetzt wird. Wenn nichtvulkanisierter Kautschuk zum Beispiel gestreckt wird, reagiert er zunächst elastisch, d. h. die gestreckten Moleküle kehren nach Beendigung der Beanspruchung wieder in die ursprüngliche Knäuelform zurück.
Wenn aber die Kraft vergrößert wird, beginnen die Ketten aneinander abzugleiten, die Form wird dauerhaft verändert, und die anschließende Erholung und Rückstellung ist unvollständig. Anders ausgedrückt: Nichtvulkanisierter Kautschuk ist nur teilweise elastisch, darüber hinaus ist er plastisch.
Die Vulkanisation führt zur Bildung chemischer Querverbindungen von einer Kette zur anderen (man nennt das die Vernetzung), sodass aus dem Gewirr einzelner Ketten ein einheitliches dreidimensionales Netzwerk entsteht. Die plastische Verformbarkeit wird in demselben Maße verringert, in dem das Netzwerk aufgebaut wird. Das Material wird vorwiegend elastisch. In der Praxis ist allerdings die Erholung von einer Verformung nie ganz vollständig, und der kleine Rest an Plastizität, der in einem vulkanisierten Gummi erhalten bleibt, wird bleibende Verformung genannt.
Das ursprüngliche und auch heute am meisten angewandte Vulkanisationsverfahren
besteht in einer Vernetzung mit Schwefel (s. Foto 2). Hierzu wird Schwefel, zusammen mit weiteren Stoffen (je nach Einsatzzweck des Zielprodukts), in den Kautschuk eingemischt. Bei Einwirkung höherer Temperaturen findet die Vulkanisation statt, d. h. die Schwefelatome verbinden sich chemisch in bestimmten Abständen voneinander mit den Kautschukmolekülen und bilden Brücken bzw. Querverbindungen zwischen den Makromolekülen.
Mischungszusätze
Neben dem Schwefel gibt es viele andere Bestandteile, die vor der Vulkanisation in den Kautschuk eingemischt werden, um die Eigenschaften des Endproduktes zu erzielen. Dazu gehören Füllstoffe, wie z. B. Ruß, der die Festigkeit des Gummis erhöht und ihn gegenüber Abriebeffekten wesentlich verschleißfester macht; chemisch träge Füllstoffe wie Kaolin, Kreide, Schlämmkreide, Baryt, Talkum und Lithopone, die im wesentlichen den Kautschuk strecken, das Endprodukt also verbilligen und gleichzeitig die Härte erhöhen, ohne dass sie die Festigkeit in der einen oder anderen Richtung wesentlich beeinflussen; Antioxidantien und Antiozonanten, die dazu beitragen, den Gummi gegen Alterungsprozesse zu schützen, beispielsweise gegen die schädlichen Einflüsse des Sauerstoffs (Oxidation der Drähte z. B. bei Reifen), Wärme, Sonne, Licht, Ozon usw.; Peptisiermittel, die den Kautschuk vor der Mischungsherstellung erweichen und für die Aufnahme von Füllstoffen und Chemikalien bereitmachen; Treibmittel, um Schwammgummi herzustellen; Pigmente und Geruchmittel, Härter und Klebrigmacher, Streckmittelöle, Weichmacher und verstärkende Harze, Regenerate, Gummigranulat, Fungizide und viele andere Stoffe.
Heute gibt es tausende derartige Stoffe, aus denen man wählen kann. Bis zu 70, 80 oder mehr können in einer einzigen Mischung vorkommen, und der Grad, bis zu welchem die Eigenschaften des Endproduktes durch Änderung des Mischungsaufbaus variiert werden können, ist eines der hervorstechendsten Merkmale der Kautschuktechnologie. Diese Eigenschaftsbeeinflussung durch den Mischungsaufbau, in der Mischungsformel niedergeschrieben, ist der Grund dafür, dass ein elastischer Gummifaden, ein Batteriegehäuse, ein Badeschwamm und der Reifen einer Erdbewegungsmaschine ursprünglich alle aus demselben Kautschuk hergestellt sein können.
Herstellungsprozess
Neben dem Mischungsaufbau ist auch der Prozess der Herstellung brauchbarer Industrieerzeugnisse aus Kautschuk sehr komplex; dieser Prozess setzt einen erheblichen Einsatz von Maschinen und Energie voraus.
Im Allgemeinen erfolgt die Herstellung nach drei bzw. vier Hauptstufen:
- die Herstellung der Mischung: Dabei werden entsprechend der Mischungsformel die verschiedenen Bestandteile verarbeitet und eine homogene Masse hergestellt;
- die Vorfertigung des Endproduktes, die als Formgebung bezeichnet werden kann;
- eventuell die Konfektion, wenn es sich um Verbunderzeugnisse handelt;
- die Vulkanisation: Dies ist die Bezeichnung für den chemischen Vorgang, der meist während eines Kochungsvorgangs erfolgt.
Die meisten synthetischen Kautschukarten werden bereits mit Moleküllängen produziert, die kurz genug sind; dadurch könnte der Mastikationsvorgang überflüssig sein. Der Knetprozess ist aber auch bei synthetischem Kautschuk erforderlich, um die vielen Mischungszusätze gleichmäßig in der Mischung einzuarbeiten und zu verteilen.
Vor einigen Jahren geschah die Zubereitung der Mischung vorwiegend auf einem Walzwerk mit zwei hintereinander angeordneten Walzen und einem verhältnismäßig engen Walzenspalt, bei dem die Walzen unterschiedliche Drehzahlen aufwiesen. Heute verwendet man häufig große Innenmischer, die den Mischungsvorgang in kurzer Zeit absolvieren. Trotzdem werden aber immer noch Walzwerke eingesetzt, um die Mischungen in besser handhabbare Platten auszuziehen und diese für die weiteren Verarbeitungsprozesse vorzuwärmen. Bei der Mastikation (und auch der Mischungsherstellung übrigens) muss besonders auf die Temperatur geachtet werden, denn der recht zähe Kautschuk entwickelt bei der Mastikation eine hohe Wärmebildung, der eventuell zu einer unerwünschten Anvulkanisation führen kann. Kautschuk, der dies erfahren hat, ist nicht mehr brauchbar, da der Prozess der Vulkanisation nicht rückgängig zu machen ist.
(Beitragsbild oben von Hans Braxmeier / Pixabay)