Frankreich und die Niederlande: sprachliche Gemeinsamkeiten

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Frankreich und die Niederlande: sprachliche Gemeinsamkeiten

Überraschende sprachliche Gemeinsamkeiten

Zugegeben: Die französischen und niederländischen Wörter niveau, industrie, bouillon, entrecote, limonade, garderobe oder parfum – um nur einige Beispiele zu nennen – gibt es auch in der deutschen Sprache, wo sie sich lediglich durch die Großschreibung vom französischen Ursprungswort unterscheiden. Aber es gibt noch viel mehr hochinteressante französische Einflüsse auf die niederländische Sprache.

Für mich „Spracharbeiterin“ ist der Einfluss der französischen Sprache auf andere Sprachen immer wieder interessant. Kürzlich stieß ich auf eine uralte Notiz zum Thema Lehnwörter, die mich zu diesem Blogpost veranlasst. Enorm beigetragen zu meinem Interesse an den Niederlanden hat übrigens meine Kollegin Alexandra Kleijn mit ihrem hervorragenden Blog Buurtaal, der es gelang, mich für ein Land zu begeistern, mit dem ich bis vor zwei Jahren noch (aus keinen besonderen Gründen) keine Berührungspunkte hatte.

Wie das Deutsche hat auch das Niederländische (das ich leider nicht spreche) zahlreiche Wörter aus anderen Sprachen entlehnt. Dabei kommt den Wörtern, die seit dem frühen 18. Jahrhundert aus dem Französischen übernommen wurden, eine besondere Bedeutung zu. Hier einige Beispiele:

Französisch Niederländisch Deutsch
soulagement soelaas/troost Trost, Linderung
vallée vallei Tal
couleur kleur/verf Farbe
perdrix patrijs Rebhuhn
succès succes/ (goed) gevolg Erfolg
meuble meubel Möbel
vacances vakantie/verlof Urlaub
tournoi toernooi Turnier
question kwestie/vraag Frage
tarte taart Torte, Kuchenboden
mélancolie melancholie Schwermut

 

Früher war auch in den Niederlanden Französisch die Sprache des Adels und des Hofes. So wurden zahlreiche französische Wörter nach und nach in die niederländische Alltagssprache übernommen. Hier eine nicht vollständige Liste:

Französisch Niederländisch Dt. Übersetzung des NL-Worts
appartement appartement Appartment
ambulance ambulance Krankenwagen
bagage bagage Gepäck
asperge asperge Spargel
bureau bureau Schreibtisch
circuit circuit  Rennstrecke
concierge conciërge Hausverwalter/Hausmeister
enveloppe enveloppe Briefumschlag
formule formule Formel
porte-monnaie portemonnee   (früher: portemonnaie) Geldbeutel
portefeuille portefeuille Brieftasche
garage garage Werkstatt
humeur humeur  Laune, Stimmung
individu individu  Einzelperson, Sonderling
logement logement Unterkunft
luxe luxe Luxus
nonchalant nonchalant sorglos
officier officier  Offizier
soupe soep Suppe
vestibule vestibule Eingangsbereich, Flur
trottoir trottoir Bürgersteig
pantalon pantalon Hose (lang)
cadeau cadeau Geschenk
parapluie paraplu Regenschirm

Weitere Lehnwörter wie machine (FR) > machine (NL) > Maschine (D) oder industrie > industrie (NL) > Industrie (D), magie (FR) > magie (NL) > Magie (D) oder niveau (FR) > niveau (NL) > Niveau (D), die in den drei Sprachen (abgesehen von der Großschreibung im Deutschen) identisch sind, sind zahlreich, müssen hier nicht explizit erwähnt werden.

Vorsicht bei Bedeutungsänderungen wie z.B. bei:

  • le conducteur (FR) > Fahrer (D) > de conducteur = Schaffner/Zugbegleiter
  • le milieu (FR) > die Mitte oder  die Umgebung (D) > het milieu = die Umwelt
  • la recherche (FR) > die Suche oder die Forschung (D) > de recherche = Kripo

Bei manchen Wörtern ist die Verwandlung doch etwas stärker, wie in diesen beiden Beispielen:

courant (= aktuell) krant Zeitung
client klant, cliënt Kunde

 

Interessantes aus früheren Zeiten …

Im 17. Jahrhundert wurde Französisch in den Niederlanden vor allem in sog. höheren Kreisen übertrieben angewendet. So schrieb Constantijn Huygens ein Gedicht, in dem zwei Offiziere ihre Herzensdamen ansprechen und dabei so viele französische Wörter verwenden, dass es lächerlicht wirkt:

Auszug aus Constantijn Huygens‘ „Voorhout“

[…]
„Mijn soulas, mijn vreughden-voedsel,
ah! quitteert U.E. la Cour?
Sult ghy eeuwigh absenteeren?“
(‘k Schat de Meid naar Leiden voer)
“Wilt mijn flames obligeren
met een expedit retour
[…]
“Wel bizarre van humeur,
sult ghy my sans fin traineren
met ideën van faveur?
Neen, revesche, neen volage,
dus en magh ’t niet lange zijn;
mespriseert ghy mijn servage,
aussi fayje ton desdain

(Quelle: Marijke van der Wal (1994): Geschiedenis van het Nederlands. 2., überarb. Ausgabe, Utrecht, S. 231)

Besonders stark war der französische Einfluss in Flandern, wo die Vorherrschaft des Französischen von den Niederländern als unangemessen angesehen wurde. Der Brüsseler Rechtsanwalt Jan Baptiste Chrysotomus Verlooy (1746 – 1797) veröffentlichte 1788 ein Plädoyer für den Gebrauch der Muttersprache, also des Niederländischen. Hier ein Auszug:

(NL)

En waerom zou onze tael moeten wyken voor ’t frans? waerom eene veel betere stellen achter een’ slechtere? waerom de tael van ’t grootste deel, van ’t beste, van ’t voornaemste van onzen Staet slagofferen aen die van een klyn vierde van ’t land, aen een hoekje leelyk basterdfrans? […]
Laet ons dus zeer geerne verlaeten die vremde spraek die ons zoo schadelyk is, en d’onze omhelzen. Laet ons eyndelyk hier-in eens naevolgen die gelukkige voorgangen van schier alle volkeren van Europa, Vrankryk, Engeland, Italiën, Spaniën, Duytsland …

Deutsche Übersetzung:
Und warum sollte unsere Sprache vor dem Französischen weichen müssen? Warum eine bessere Sprache hinter eine schlechtere stellen? Warum die Sprache des größten, besten und vornehmsten Teils unseres Staates dem kleinen vierten Teil unseres Landes, dem Stück hässlichen Bastard-Französich opfern? […]
Lasst uns also am besten die fremde Sprache, die für uns so schädlich ist, verlassen und unsere umarmen [annehmen]. Lasst uns endlich den glücklichen Beispielen nahezu aller Völker in Europa, Frankreich, England, Italien, Spanien und Deutschland, folgen …

(Quelle: J.B.C Verlooy (1788): Verhandeling op d’onacht der moederlyke Tael in de Nederlanden)

  1. Die Staaten Frankreich und die Niederlande mögen keine direkten Nachbarn sein (außer in der Karibik übrigens, auf der Insel Saint Martin/Sint Maarten), die Sprachen Französisch und Niederländisch sind es natürlich sehr wohl.

  2. Witzig zu lesen, dass es damals schon Leute gab, die den Einfluss einer Fremdsprache eingedämmt sehen wollten, heute ist es vor allem die englische Sprache, die sich überall „breit“ macht.

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