Lachen ist gesund

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Lachen ist gesund

Das gilt für Deutsche und Franzosen – selbstredend.

Immer wieder werde ich von meinen französischen Landsleuten gefragt, ob die Deutschen Humor haben. Na, schauen wir mal …

Gleich vorab: Ich lache in Deutschland und mit deutschen Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern sehr viel. Nach meinen Erfahrungen geht die Mär vom „humorlosen Deutschen“ auf ein Vorurteil zurück. Und wie Albert Einstein schon sagte, ist es „leichter, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil“.

Worüber lachen Deutsche? Im Großen und Ganzen über die gleichen Dinge wie die Franzosen. Was nicht so gut ankommt, sind Anspielungen wie in der folgenden Begebenheit. Eine Bekannte war auf glatter Straße böse gestürzt und hatte sich nicht nur am Arm verletzt, sondern war auch noch mit der Schläfe auf ihren Fahrradlenker gestoßen. Am nächsten Tag sah es aus, als habe sie ein blaues Auge. Sie war Französischlehrerin in der Erwachsenenbildung und erklärte ihren Schülern mit ernster Miene „mon mari m’a battue“, was in Frankreich in einer solchen Situation großes Gelächter ausgelöst hätte. Ihre Eleven sahen sie bestürzt an und wussten nicht, was sie sagen sollten. Auch als sie das Ganze ob der Reaktion ihrer Klasse auflöste, fanden die Sprachstudierenden das überhaupt nicht witzig. Im Land von Alice Schwarzer und anderen feministisch Aktiven lacht man nicht über geschlagene Frauen. Bon, das Thema Gewalt an Frauen ist ja auch nicht witzig, aber in der geschilderten Situation geht es doch um etwas anderes…

Was in Deutschland immer geht, sind Blondinenwitze. In einem Land, in dem jeder in der Öffentlichkeit auftretende Mensch ständig darauf achten muss, niemanden zu diskriminieren bzw. auch nur den Anschein zu erwecken, er würde „eventuell möglicherweise vielleicht“ jemanden verunglimpfen, werden deutsche Männer nicht müde, sich über Blondinen in schärfster Form lustig zu machen.

Auch Ostfriesen sind die Opfer der Nation und werden in Witzen, die in den 1960er Jahren erstmals entstanden sind, gerne als dümmlich hingestellt. Offensichtlich scheinen sie es aber gelassen zu nehmen. Während die Ostfriesenwitze in ganz Deutschland „Anwendung finden“, werden zum Beispiel in Baden gerne die Einwohner der benachbarten Pfalz verhohnepipelt. Auch die bayrischen oder hessischen Zeitgenossen werden für ihre jeweiligen Nachbarbundesländer zur Zielscheibe. Solche „Rivalitäten“ werden auf jeder Ebene – Land, Bundesland, Region, Stadt, Dorf… – gerne gepflegt, so zum Beispiel die zwischen Wiesbaden und Mainz oder zwischen der Stadt Mainz und ihrem Stadtteil Finthen.

Humor beweist sich allerdings nicht allein durch das Erzählen von Witzen oder die Tatsache, dass man beim Karneval oder Fasching, bei der Fastnacht oder Fassenacht mitmacht. Humor ist die Fähigkeit, über Situationen und auch über sich selbst zu lachen und damit unter Beweis zu stellen, dass sich „Mann“ oder „Frau“ nicht allzu ernst nimmt. Das scheint allerdings in Deutschland eher das Problem zu sein: über sich lachen können.

Die Social-Networking-Plattform Badoo hat im Juni 2011 in einer weltweiten Umfrage den Test gemacht: Gefragt wurde, welches Volk Mitmenschen am besten zum Lachen bringen kann und welches Volk das eben nicht oder nicht so gut kann? Was rund 30.000 Menschen weltweit darauf antworteten, sollte den Deutschen zu denken geben, denn: Im internationalen Vergleich mit 15 anderen Ländern landeten sie auf den letzten Platz. Sieger wurden die Amerikaner, vor den Spaniern und den Italienern, Franzosen belegten den 5. Platz, Briten den 7. und Niederländer den 8. Platz.

Böse Zungen behaupten, Deutsche könnten durchaus lachen – aber erst wenn die Arbeit erledigt ist. Oder dass sie zum Lachen in den Keller gehen. Deutsche amüsieren sich köstlich über das alljährlich am Silvesterabend im deutschen Fernsehen ausgestrahlte „Dinner for one“, während die Briten dieses Stück entweder nicht kennen oder aber nur müde darüber lächeln können. In Deutschland finden Lachseminare statt, es werden ernsthafte Konferenzen über das Thema Humor abgehalten, es gibt Lachvereine und Lachklubs, lange Abhandlungen über das Lachen, Wissenschaftlicher analysieren die Gelotologie – die Wissenschaft des Lachens – und die Medien befassen sich immer wieder mit dem Thema, wenn nicht gerade eine Naturkatastrophe oder die Euro-Krise vorrangig zu behandeln sind. Ich kann mich an einen Artikel der Wochenzeitung DIE ZEIT (ich glaube, das war 2007 oder 2006) erinnern, den ich leider nicht mehr online ausfindig machen konnte, in dem das Thema „deutscher Humor“ akribisch mit philosophischem, literarischem, medizinischem Ansatz… unter die Lupe genommen wurde. Das Ganze war zum Einschläfern und gar nicht lustig.

In der Tat habe ich die Erfahrung gemacht, dass in firmeninternen Besprechungen mit deutschen Teilnehmern wenig Raum für Humorvolles ist. Wenn überhaupt, dann haben Männer eher die Lachfäden gezogen – das hatte allerdings meistens den seilschaftenspezifischen Touch, der den damals wenigen weiblichen Beschäftigten des Unternehmens unterschwellig zu verstehen gab: He, das ist unser Spielplatz, du bleibst draußen. Franzosen dagegen nutzen die erste halbe Stunde eines Meetings erst einmal, um zu plaudern und zu lachen: Das lockert die Stimmung, dann kann auch ernsthafter konferiert werden.

Die deutsche Klassik kennt nur wenige Komödien, man könnte sogar sagen, dass Shakespeare lustiger als Goethe und Schiller ist. In Deutschland wurde Humorvolles vielfach in Reimen verpackt: Ringelnatz, Morgenstern, Tucholsky oder Heine sowie der grandiose Wilhelm Busch und, ja, Heinz Ehrhardt. Wer kennt schon Robert Gernhardt? Nur wenige. An seinen berühmten Schüttelreim „Welch schönes Wort ist Mutterglück – wie seltsam klänge Gluttermück!“ – unübersetzbar – erinnern sich jedoch viele hier in Deutschland. Über Loriot wird in Deutschland viel gelacht – ich kann über seine Sketche kaum lachen. Aber ganz egal, worüber jeder gerne lachen mag, eines ist wichtig und richtig, nämlich das, was Schopenhauer, der in meiner Philosophen-Beliebtheitsskala Platz 2 belegt, einst geschrieben hat: „Jedes Lachen ist eine kleine Erleuchtung. Ist Lachen also die beste Medizin? Das zeigt einem das Leben selbst. Kinder lachen 400 Mal am Tag, Erwachsene 20 Mal, Tote gar nicht. Da erkennt auch der statistische Laie die Tendenz: Humor hilft heilen“.

    • Ja, die Belgier sind die Ostfriesen der Franzosen. Bei den Österreichern und Schweizern weiß ich es nicht.

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