Wörter aus alten Zeiten
Treue Leser:innen von Rüsterweg ahnen es längst: Mit fünf Wörtern im Gepäck wird das Leben auf der einsamen Insel ziemlich langweilig. Ein Strategiewechsel muss her…
Wie bitte? Strategiewechsel?
Warum nicht? In Politik und Wirtschaft ist das gang und gäbe. Doch in diesem Fall gibt es einen guten Grund: Allzu viele Wörter laufen Gefahr, in Vergessenheit zu geraten und ganz zu verschwinden, wenn sich die Menschen, die mit ihnen aufgewachsen sind, von dieser Welt verabschieden. Auf Anregung meiner geschätzten Kollegin Alexandra Kleijn, deren Blog-Beiträge auf buurtaal nicht nur Niederlande-Fans begeistern, habe ich kurzerhand einstimmig mit mir beschlossen, mein 5er-Prinzip zu revidieren (wobei mich die (bisher 3) Wörter, die in meinen 5er-Olymp aufgenommen wurden, an liebe Menschen erinnern).
Manche Wörter verschwinden, darüber wurde hier bereits berichtet, weil der Gegenstand, den sie bezeichnen, nicht mehr existiert. Bereits genannte Beispiele sind Telefonwählscheibe, fernmündlich, Bandsalat beim Kassettenrekorder oder Lichtspielhaus. Andere Begriffe passen sich den Entwicklungen an bzw. erfahren ein echtes Revival. Der Liebestöter, Inbegriff der anti-erotischen Unterwäsche, soll inzwischen Synonym von „Beziehungskiller“ sein. Der Schlüpfer, mit dem die meisten das berühmt-berüchtigte Doppelripp-Exemplar assoziieren, scheint laut einem – zugegebenermaßen etwas älteren (und ironischerweise an einem Valentinstag veröffentlichten) – taz-Bericht ganz neue Dimensionen zu erfahren, wobei ich persönlich glaube, dass der Wiederbelebungsversuch inzwischen gründlich in die Hose gegangen ist. Das gleiche – in fortgeschrittener Form – gilt für den Vatermörder, der übrigens am französischen Hof „parasite“ hieß, weil sich beim Einnehmen der Mahlzeiten Krümel und sonstige Essensteilchen darin sammelten.
Das Fräulein vom Amt wird es allerdings nicht mehr geben, denn es ist mehr oder weniger durch das unpersönliche Callcenter ersetzt worden. Wer von den „Untersechzigjährigen“ bezeichnet denn heute noch eine Wiese als Anger? Und wer wäscht die Wäsche noch in einem Zuber oder badet selbst darin? Der Tornister, früher fester Bestandteil der Soldatenausrüstung, hat sich längst zum Schulranzen gemausert.
Es kommt noch besser
Wer in einem Text sintemal oder sintemalen liest, vermutet eher einen gewaltigen Tippfehler – es sei denn, er ist Germanist oder Sprachhistoriker. Die Konjunktion bedeutet je nach Kontext „vornehmlich, vor allem, besonders, namentlich“. Und das Wort Lehen, das für „Rechte, insbesondere an Grund und Boden, im feudalistischen Lehnswesen“ steht, kommt eigentlich nur noch in Ortsnamen – überwiegend in Baden-Württemberg, Bayern und Österreich – sowie in bayrischen Hotelnamen (z.B. Alpenhotel Denninglehen in Berchtesgaden) vor – verständlicherweise und glücklicherweise, da feudalistische Zustände zumindest in unseren Breitengraden nicht mehr anzutreffen sind.
Wenn meine deutsche Oma mir früher erzählte, dass sie in jungen Jahren nur selbander durch Bad Ems flanierte, dann bedeutete das ganz einfach „zu zweit“, also mit einer Freundin, denn es schickte sich damals nicht für ein junges Mädchen, allein durch einen Ort zu promenieren.
Und – damit schließe ich dann den heutigen Wehmutskreis – vom damaligen Abort aus der Kindheit älterer Rentner ist uns nur der Begriff „arschkalt“ geblieben: Denn Zentralheizung gab es dort nicht.
[…] nach dir “ – nicht überall und auch nicht sehr häufig, den er ist wohl auch, wie so viele Wörter aus alten Zeiten, vom Aussterben bedroht. Er bedeutet: ich habe Sehnsucht nach dir, ich sehne mich nach dir, ich […]
Wieder etwas gelernt 🙂
Für meine Muttersprache Niederländisch gibt es eine Website, auf der vom Aussterben bedrohte Wörter gesammelt werden: http://www.belegenwoorden.nl/
Da stöbere ich gerne.
Danke, Inex und Alexandra, für Eure Gedanken. Ja, gut, dass Dialekte solche Wörter pflegen. Es gibt für Deutsch die Website http://www.bedrohte-woerter.de/, allerdings habe ich den Eindruck, dass schon länger nichts mehr eingestellt worden ist.
Aha, die Site kannte ich noch nicht. Danke! Auch die niederländiche Website nimmt leider keine neuen Einträge mehr entgegen. Vielleicht sollten wir mal die Initiative ergreifen? 😉
Ich habe schon vor Monaten an den Betreiber geschrieben und einige Wörter vorgeschlagen – ohne Reaktion. Wir können aber auch auf unseren Blogs mit Beiträgen dafür sorgen, dass solche Wörter nicht in Vergessenheit geraten.
Regional bleiben manche dieser Wörter mitunter sehr lebendig, zum Beispiel der Tornister (kurz „Tonne“ genannt) in Westfalen. 🙂