Ihnen erscheint ein böser Geist, der Ihnen alle Wörter wegnimmt …
… Nur 5 Wörter (in Worten: fünf) dürfen Sie behalten. Wissen Sie auf Anhieb, für welche Sie sich entscheiden würden?
Das erste meiner fünf Lieblingswörter hatte ich bereits verraten: Amborage. Als zweites möchte ich „gattig“ behalten.
Gattig? Was ist denn das, fragen Sie sich bestimmt. Es sei denn, ja, es sei denn, Sie kommen aus Süddeutschland, genauer gesagt, aus der Kurpfalz.
Nein, die Kurpfalz ist nicht etwa der Teil der Pfalz, in dem man gerne eine Reha-Maßnahme wahrnimmt. Die Kurpfalz ist eine alte Pfalzgrafschaft am Rhein um die heutigen Städte Heidelberg und Mannheim, der 1356 die sog. Kurwürde (das hat etwas mit dem mittelhochdeutschen Wort Kur für „Wahl“ und dem Recht zur Wahl des römisch-deutschen Königs zu tun; daher auch das Verb „küren“) verliehen wurde: Daraus bildete sich der Name Kurpfalz. Wer mehr darüber wissen will, liest hier nach.
„Kurpfälzer sind eher die Sprecher eines bestimmten Dialekts als eine Volksgruppe“, schreibt Wikipedia. Ähnlich wie Schwaben hat die Region Kurpfalz keine festen Grenzen, so ist auch die Verwendung des Wortes „gattig“ geografisch nicht so genau abzugrenzen.
Im Kurpfälzischen steht gattig für „genau passend und praktisch zugleich“. Wenn ich einen Rest vom Abendessen in einer Aufbewahrungsdose in den Kühlschrank stellen will, suche ich mir ein Behältnis aus, das gattig ist, nämlich das ganz genau für den Zweck passt.
Wenn ein Heimwerker ein Brett benötigt, mit dem er einen Tritt herstellen will, sucht er sich ein Stück Holz aus, das gattig ist – nämlich das, was seiner Vorstellung am nächsten kommt, idealerweise, das er kaum oder nicht bearbeiten muss, damit es passt – in jeder Hinsicht.
Da sich Sprache und ihre Bestandteile weiterentwickeln, findet man das Adjektiv gattig auch in den alemannischen Dialekten, die – ganz grob gesehen – im Südwesten des deutschen Sprachraums gesprochen werden, also auch in der Schweiz. Im Alemannischen verschiebt sich die Bedeutung von „gattig“ hin zu „anständig, gesittet“ oder auch „schön anzusehen“.
Mich persönlich verbindet das Wort mit einem liebenswerten Menschen aus Schwetzingen, der leider nicht mehr bei uns ist.