Von (manchen) Übersetzungsagenturen und ihren Vorgehensweisen
Tagtäglich flattern bei freiberuflichen Übersetzern, die für Agenturen arbeiten, Anfragen in den Mailkasten, die an Chuzpe und Unverfrorenheit kaum zu überbieten sind. Da drängt sich einem die Frage auf, ob hinter diesen Anfragen nicht etwa kleine Roboter stecken, die austesten wollen, wie man reagiert… Oder wer hat da die große Schere in der Hand?
So schreibt eine Agentur einem Kollegen Folgendes:
„Wir würden uns freuen, wenn Sie uns mitteilen würden, was Sie für das Lektorieren einer Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche veranschlagen.“
Die Profis wissen es: Hier fehlen Angaben zum Volumen und Fachgebiet oder Thema; es wird nicht gesagt, wann der Text zur Verfügung steht und wann Liefertermin des lektorierten Textes ist.
Der Kollege nennt umgehend per Mail seinen Stundensatz für Lektoratsarbeiten und fragt nach den fehlenden Details. Kurz darauf erhält er von der Agentur folgende Antwort:
„Wir bieten Ihnen 0,03 €/Wort Ausgangssprache. Unser Kunde hat ein begrenztes Budget. Können Sie das heute noch erledigen?“
Hallo?! Wo sind wir denn? Ich rufe nachher meinen Fliesenleger an, biete ihm 5 Euro pro Quadratmeter und erwähne nebenbei, dass er die Fläche heute noch fliesen muss. Wie groß diese ist, verrate ich nicht.
Das Allerschönste ist aber die Sache mit dem Budget. Kennen Sie viele Firmen, die über endlose Ressourcen verfügen, die für einzelne Projekte keine Ausgabenplanung zugrunde legen und ihren Dienstleistern diesbezüglich völlig freie Hand lassen?
Was veranlasst eine Agentur dazu, erst nach dem Honorar zu fragen („please give your best rate“), um in einer zweiten Nachricht ihren unumstößlichen, unverschämt niedrigen Preis mit einem festen Liefertermin zu nennen – kurz, wenn sie doch genau wissen, was sie zahlen wollen? Dabei sei nur nebenbei erwähnt, dass für Lektoratstätigkeiten ohnehin in der Regel Stundensätze angewendet werden – das sind ja nur Details.
Wie auf dem Basar
Ein beliebtes Spiel ist auch der kleinere Auftrag zu einem halbwegs vernünftigen Honorar, bei dem die Agentur durchblicken lässt, dass bei Zufriedenheit des Kunden ein großer Anschlussauftrag folgen wird. Kurz nach Abgabe der ersten kürzeren Übersetzung schreibt die Agentur, dass ihr Kunde mit der abgelieferten Arbeit hoch zufrieden war. Da hüpft doch jedem Kollegen das Herz vor Freude! Wo ist der Haken? Die Agentur ergänzt:
„Gerne sind wir bereit, Ihnen den in Aussicht gestellten größeren Auftrag (ca. 21.000 Wörter) zu erteilen. Wir gehen davon aus, dass Sie uns aufgrund des Volumens einen Preisabschlag von 30 % gewähren.“
Wie bitte? Warum sollte ein Profi-Übersetzer auf ein Drittel seiner Bezahlung verzichten, nur weil er einen längeren Text übersetzen „darf“? Das bedeutet, dass er in oben genanntem Beispiel 14.000 Wörter bezahlt bekommt, den Rest bearbeitet er gratis. Hätte ich diese Methode bei unserem Hausbau angewendet, hätten wir ein Drittel der Baukosten sparen können.
Und der Gipfel, der auf so herrliche Weise auf Mox’s blog auf den Punkt gebracht wird, ist der „translation contest“: So arbeiten alle erst einmal „for free“, weil jeder hofft, den Pokal (also den dicken Auftrag) am Ende zu holen. Dabei lässt die Agentur von jedem, der mitmacht, ein anderes Stückchen des Textkuchens übersetzen. Was für eine „pfiffige“ Idee!
Glauben Sie, dass Handwerker dazu bereit wären, erst einmal „zur Probe“ zu arbeiten – frei nach dem Motto „Frechheit siegt“ oder, um mit Ulrich Wickert zu sprechen: „Der Ehrliche ist der Dumme“? Ganz bestimmt nicht – und zu Recht!
Warum grassieren im Bereich Übersetzungen solche Methoden? Weil es – LEIDER auch in Europa – immer irgendwo einen „Sprachumtauscher“ gibt, der eben zu diesen niedrig(er)en Preisen arbeitet. Sehr lang müssen die Agenturen in der Regel nicht suchen. Die Qualität spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Denn für die (meisten) Agenturen gilt bekanntermaßen immer noch: Hauptsache schnell und billig. Womit wir wieder beim Thema wären …
ich freue mich auf Vernetzung auf meiner neuen Seite…. wehret den Ignoranten…. 🙂